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Christiane Woeller, Jahrgang 1979, lebt in Essen und studierte Evangelische Theologie, Philosophie sowie Germanistik in Mainz, Rom, Frankfurt und Marburg. Nachdem sie zunächst als Lehrerin am Kurfürstlichen Schlossgymnasium in Mainz arbeitete, erhielt sie nach drei Jahren eine Abordnung mit halber Stelle an das Philosophische Seminar der Johannes­-Gutenberg-Universität Mainz an den Lehrstuhl Fachdidaktik Philosophie. Seit 2016 ist sie am Zentrum für schul­praktische Lehrerausbildung in Duisburg als Fachleiterin für die Fächer Philo­sophie und Deutsch in den Schulformen Gymnasium und Gesamtschule tätig. Sie unterrichtet selber am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium in Duisburg-Marxloh. Ihr Interesse richtet sich vermehrt auf politische, gesellschaftliche sowie soziale Phänomene und Veränder­ungs­prozesse - ganz besonders auch mit Blick auf Europa. Aktuell arbeitet sie zu der Bedeutung von Literatur und Kunst für die Bildung von Solidarität, Empathie und Gemeinschaft über Länder­grenzen hinaus.

 
   
 

 

 

 

Folgen Sie Influencern? Falls ja, welchen und warum?

Der Begriff „Influencer“ ist für mich bisher immer eher negativ besetzt gewesen, denn „to influence“ bedeutet „beeinflussen“ und immer dann, wenn ich das Gefühl habe, dass mich jemand von außen zu beein­flussen, mir etwas einzureden, mich vehement zu überreden oder gar zu manipulieren versucht, dann wehre ich mich innerlich unmittelbar dagegen und wende mich ab. Erst zwei intensive Gespräche haben mir den Blick auf eine mögliche positive Begriffsdeutung eröffnet. Dabei geht es nicht darum, nicht vorhandene Bedürfnisse in mich hinein­zulegen, sondern Begeisterung für das zu wecken, was bereits in mir angelegt ist, und es als besondere Möglichkeit des eigenen Lebens zu erkennen und zu gestalten.

Obwohl ich keinen „Influencern“ im Sinne meines ersten Verständnisses folge, habe ich in den letzten Jahren dennoch vermehrt begonnen, meine Aufmerksamkeit einigen Facebookseiten mit Fotografien zuzu­wenden und deren Beiträge selber zu teilen, weil diese Fotografien mich berühren, beeindrucken, begeistern, mir gut tun, bisher nicht immer genutzte sowie derzeit aus eigener Kraft nicht gestaltbare Potentiale zeigen, mich zu mir selber führen, mich daher bewegen sowie zur Bewegung anspornen. Sie sprechen etwas in mir an, das dort bereits als Potential angelegt ist, reizen, fordern heraus und eröffnen gleich­zeitig positive Ausblicke, Weitblicke und Fernblicke gegen die Negativspirale und Tristesse der vielen anderen Meldungen.

Einerseits zeigen diese Fotos wunderschöne Landschaftsaufnahmen von Sehnsuchtsorten an der Côte d’Azur, in der Toscana, in der Bretagne, Sonnenauf- und Sonnenuntergänge in impressionistischen Farben, andererseits ganz besondere Perspektiven auf Städte wie Rom, Florenz, Siena, Venedig, Cannes, Nizza, Monte Carlo, kleine mittelalterliche toskanische sowie provenzialische Bergdörfer, mit denen ich gehörte Geschichten, eigene Erlebnisse, Erinnerungen und Sehnsucht verbinde.

Außerdem gibt es eine Facebookseite, die wunderschöne, teilweise auch schon ältere Schwarz-Weiß Fotografien postet, die Nähe, Intensität, Vertrautheit, Verbundenheit und Innigkeit zwischen zwei Menschen zeigen. Manchmal sieht man nur fokussierte Detailaufnahmen wie die Berührung der Finger zweier Personen, eine innige Umarmung, gemeinsames Lachen, ineinander verschränkte Finger, besondere Blicke, Berührungen, aufeinander konzentrierte Gesprächspartner in einer Bar, ein Paar alleine am Meer, Augenblicke der Leichtigkeit und Freiheit. Diese Fotos berühren und ergreifen mich, weil sie die Innigkeit, Intensität und den Zauber eines unendlich kostbaren, bereits vergangenen Augenblickes zwischen zwei Menschen magisch eingefangen haben, Erinnerungen wecken und mich gleichzeitig immer wieder spüren lassen, was zwischen zwei Menschen möglich ist.

Wir brauchen in meinen Augen unbedingt wieder einen deutlich positiveren und hoffnungsvolleren Blick auf die Welt, denn in den letzten Jahren, und durch Covid19 ganz besonders, hat sich ein dystopisches Berichten und Sprechen verbreitet, eine Krise jagt die nächste, was in meinen Augen definitiv auch unser Denken beeinflusst sowie unsere Psyche belastet. Ich möchte hiermit nicht sagen, dass wir die tatsächlich vorhandenen, sich zuspitzenden Krisen nicht ernst nehmen sollten. Ich plädiere allerdings dafür, dass wir unbedingt auch wieder mehr positive Geschichten mit Perspektiven erzählen sollten, die guten Erinnerungen und multiperspektivischen Weltwahrnehmungen Raum geben sowie Vorfreude und Hoffnung auf Kommendes ermöglichen. Vielleicht spricht da die Christin in mir, denn ich bin davon überzeugt, dass es dem Individuum aber auch einer ganzen Gesellschaft nicht gut tun kann, wenn immer wieder nur auf das Negative und nicht Gelingende geschaut wird. Ein reines Fehlersuchen und Defizitdenken ist auch in der Schule in Bildungsprozessen von jungen Menschen absolut demotivierend sowie kontraproduktiv, während der Blick auf immer auch vorhandene Stärken und Potentiale, Fenster in eine positiv zu gestaltende Zukunft eröffnen kann. Vielleicht gilt es in den sich überschlagenden negativen Meldungen und dem derzeit nicht Möglichen, dennoch das Positive und derzeit sowie zukünftig Mögliche zu suchen, klar zu benennen und sich genau dafür einzusetzen.

Die beschriebenen Fotos legen gewissermaßen den Finger in die Wunde, denn sie zeigen und stehen für das, was am meisten fehlt. Dennoch empfinde ich sie als Balsam für die Seele, den Geist und das Herz, denn gerade in dem gefühlten Mangel zeigt sich das, was die größte sinnstiftende Bedeutung für das eigene Leben hat. Daher erfreuen sich meine Augen an der Schönheit sowie Erhabenheit der Natur, dem Zauber dieser einmaligen Städte sowie der Magie des Augenblickes zwischen zwei Menschen. Dieses Potential der Fotos möchte ich mit mir lieben Menschen teilen, um sie teilhaben zu lassen, zu berühren, zu bewegen und – ja, in diesem positiven Sinne, auch zu beeinflussen.



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