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Vom Amiga 500 bis hin zu Social Media – so könnte man den bisherigen Lebenslauf von Jens Albers kurz zusammenfassen. Geboren, aufgewachsen und groß geworden im schönen Münsterland, zog es Albers nach dem Abitur in das grafische Gewerbe. Mit einem Bad im eiskalten Gautschbecken vollendete er schließlich seine Ausbildung zum Mediengestalter für Digital- und Printmedien in einer mittelständischen Druckerei. Und was wären die tollsten Medien­produkte ohne guten Inhalt? Nicht viel – richtig! Daher schloss er ein Studium der Kommunikations­wissenschaft in Münster an und setzte sich 2011 schließlich an den Schreibtisch des Social-Media-Managers im Bistum Essen. Seit 2015 ist er zudem stellvertretender Pressesprecher des Bistums.

 
   

 

 

Social-Media Arbeit für die größte Offline-Community der Welt

Setzt das Bistum Essen externe Influencer und Blogger ein?

Im Großen und Ganzen produziert das Bistum Essen den Content für seine Social Media Kanäle selbst. Dabei haben wir das große Glück, dass wir zahlreiche Kolleginnen und Kollegen haben, die es mit viel Kreativität immer schaffen, Glaubensinhalte auf überraschende Weise neu zu präsentieren. Ab und an arbeiten wir mit dem ruach.jetzt-Netzwerk zusammen. Das ist ein Netzwerk von verschiedenen Content Creators aus den christlichen Kirchen. Diese haben meist eigene Projekte, in denen sie auf unterschiedliche Art und Weise ihren Glauben zeigen. Es ist immer wieder inspirierend, mit den Mitgliedern des Netzwerks zusammenzuarbeiten.


Warum arbeiten Sie mit dem ruach.jetzt-Netzwerk zusammen?

Gerade in der Zusammenarbeit mit dem ruach.jetzt-Netzwerk zeigt sich, wie sehr man doch in seiner eigenen Blase gefangen ist. Auch wenn man dies eigentlich nicht will. Die Creators haben meist einen frischen Blick auf die Themen, weil sie nicht durch irgendwelche Erfahrungswerte oder Traditionen, die eine Organisation wie ein Bistum nun einmal unweigerlich mit sich bringt, beeinflusst sind. Leider ruft man viel zu schnell erlernte Muster in der Themenbearbeitung auf. Auch wenn der Satz „Das haben wir letztes Jahr so gemacht, das machen wir dieses Jahr auch wieder so“ bei uns eigentlich auf der roten Liste steht, zeigt uns die gemeinsame Arbeit jedoch, wie eingefahren wir dann doch beispielsweise in unserer Bild und Sprachwelt sind.


Wie teuer sind diese Dienstleistungen, wenn sie extern „eingekauft werden“?

Für uns sind solche Leistung klassische externe Dienstleistungen, die wir so auch bei Agenturen einkaufen würden. Und so werden diese auch vergütet.


Was ist für Sie überhaupt ein Influencer oder sollten wir besser von Sinnfluencern sprechen?

Ehrlich gesagt schüttelt es mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich den Begriff „Sinnfluencer“ höre. Ich finde, man muss schon auf einem ziemlich hohen Ross sitzen, wenn man meint, dass man sich mit einem Begriff wie „Sinnfluencer“ von den eigentlichen Influencern absetzen will. Es gibt so viele Menschen, die ihre große Reichweite dafür nutzen, sich als Influencer für ihre Werte einzusetzen. Für mich hat das ziemlich viel Sinn. Irgendwie schwingt doch im Begriff „Sinnfluencer“ auch immer ein wenig mit, dass „Influencer“ sinnfrei unterwegs seien. Die christlichen Influencer, die nach meiner Auffassung wirklich gut sind, brauchen sich nicht „Sinnfluencer“ zu nennen, sie machen einfach so authentischen Inhalt und vermitteln mir einen Sinn.


Gehören Influencer nicht zur „Anbiederungsstrategie“ des Marketings?

Wie bei vielen Dingen ist der Grad auch hier sicherlich schmal. Influencer, die das alleinige Ziel verfolgen, Werbung an die Frau oder den Mann zu bringen, fallen sicherlich in diese Kategorie. Ich glaube aber, dass sie bei vielen auch als solche wahrgenommen werden. Für mich ist es zielführender, sich nicht über solche Influencer aufzuregen, sondern Influencer stark zu machen, die ihre Reichweite für ihre Werte und andere Menschen einsetzen. Als Auftraggeber haben wir darauf Einfluss, und ich meine, als Bistum auch dahingehend eine Verantwortung.


Kirche ist die vielleicht größte Community der Welt. Seit 2000 Jahren sind Christen bereits Storyteller, haben „Influencer“ und betreiben Content Marketing. Warum findet man heute dennoch im Web so wenig digitalen christlichen Spirit?

So ganz würde ich dieser These nicht zustimmen: Es gibt schon einiges an christlichen Inhalten im Web, meist nur nicht von offizieller Seite. Und somit wird es oft halt einfach nicht als Angebot der Kirche wahrgenommen. Von offizieller Seite schaffen wir es vielfach oft nicht, unsere Inhalte kurz und prägnant darzustellen. Ein Kollege von mir hat mal den Satz geprägt: „Selbst die kurze Predigt ist viel zu lang für Social-Media.“ Ich finde, hier wird das Dilemma gut sichtbar. Mir begegnet in der Kirche immer wieder Angst, dass man durch kurze und prägnante Formulierungen unsere Glaubensinhalte beliebig werden lässt. Diese Angst kann ich nicht nachvollziehen. Wir müssen einfach realisieren, dass ein immer größerer Teil der Gesellschaft mit unseren Inhalten nicht mehr viel anfangen kann. Sie sind ihnen fremd geworden. Und wenn wir dann noch versuchen, ihnen diese Inhalte in Schachtelsätzen näherzubringen, wird das nicht wirklich von Erfolg gekrönt sein.


Wie wird man Influencer aus Ihrer Sicht, und wann ist ein Influencer fürs Bistum Essen oder generell für Kirche interessant?

Wenn man etwas zu sagen hat, seine Zielgruppe kennt und auch für seine Werte einsteht. Ich glaube eine große Gefahr besteht darin, dass sich Menschen an erfolgreichen Influencern orientieren und diese einfach nur kopieren, mit dem Gedanken, auch schnell Erfolg zu haben. Wenn ich authentisch auftrete und mich für eine Sache stark mache, dann werden Menschen mir folgen. Als Kirche sollten wir uns nicht die Fragen stellen, wann Influencer für uns interessant sind, sondern vielmehr, was wir tun müssen, um für Influencer interessant zu sein.


Gibt es eine kirchliche Influencer- oder Blogger-Szene? Kennt man sich untereinander? Kopiert man sich vielleicht sogar?

Im Wesentlichen gibt es im bistümlichen-landeskirchlichen Bereich zwei große Contentnetzwerke. Zum einen das evangelische yeet Netzwerk, das von dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik auf Beschluss der EKD initiiert und betreut wird. In diesem finden sich vor allem evangelische Influencer, zumeist Pfarrpersonen oder aus kirchlichen Berufen.

Zum anderen das ökumenische ruach.jetzt Netzwerk. Dies wurde vom katholischen Theologen Tobias Sauer gegründet und umfasst eine Reihe von unterschiedlichen Content Creators aus verschiedenen Konfess­ionen, die sich mit der Frage von innovativer Glaubens­kommunikation ganz praktisch mit ihren Projekten beschäftigen. Bei diesem Netzwerk ist vor allem die Bandbreite spannend. Von Blogs über Podcast, Instagram Accounts, Spoken Words Artists und YouTubern.

Wir lassen uns gerne von gutem Content inspirieren. Aber abgucken bringt gar nichts, denn gerade bei Influencern ist der Mehrwert des Contents oft sehr stark mit der Person verknüpft. Da hilft eine Kooperation unserem Anliegen deutlich mehr.


Wenn Religion und Glaube in „Szene“ gesetzt werden, kann da überhaupt Glaubensverständnis entstehen?

Bevor wir uns mit dieser Frage beschäftigen können – die ehrlich gesagt oft viel zu früh gestellt wird und dann zum Showstopper wird –, müssen wir uns der Frage stellen, wie wir es schaffen, überhaupt wieder für Menschen interessant zu werden. Denn wenn wir es nicht schaffen, dass uns jemand zuhört und uns als vertrauenswürdigen Gesprächspartner akzeptiert, brauchen wir uns erst gar nicht die Frage nach Glaubens­verständnis zu stellen. Aber wenn eine Akzeptanz vorhanden ist, merken wir, dass wir mit ihnen auch über Glauben ins Gespräch kommen können.


Wie reagiert die ‚offizielle‘ Kirche auf Influencer? Lernt die ‚normale‘ Verkündigung was von ihnen?

Gefühlt leider viel zu wenig. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.


Würden Sie sich selbst als Influencer bezeichnen? Falls ja, was ist Ihre Motivation?

Nein, auf keinen Fall. Auch wenn ich seit dem Corona-Lockdown große Freude daran gefunden haben, mein Mittagessen aus dem HomeOffice samt Rezept in meinem Instagram-Account zu posten.


Wenn Sie zurückblicken: Was haben Sie in den letzten Jahren von Influencern und Bloggern gelernt?

Ehrlich gesagt: Viel zu wenig. Gerade die Interaktion mit der Community und das klare Ausrichten des Contents auf die Wünsche der Community sind Punkte, die wir auch für unsere Arbeit mehr beachten sollten. Wenn das leidige Thema Ressourcen nicht wäre, könnte ich mir da schon ein paar schöne Dinge vorstellen.


Welches Umfeld braucht ein Influencer und ist Influencing eine Frage von Technik, Layout und Design?

Neben dem Inhalt sind Technik, Layout und Design in meinen Augen elementar wichtige Aspekte für die erfolgreiche Vermarktung von Inhalten. Die erfolgreichen Influencerinnen und Influencer haben einen Stil geprägt. Dieser Stil ist in der Community erlernt und hilft vielen Nutzern, sich schnell entscheiden zu können, ob ein Content in ihrer Timeline für sie relevant erscheint oder nicht. Wir sollten uns alle merken: Nur weil ich die Live-Broadcasting-Funktion an meinem Smartphone entdeckt habe, bin ich noch lange kein Influencer. Oder wie Tobias Sauer aus dem ruach.jetzt-Netzwerk es einmal zugespitzt auf den Punkt gebracht hat: Scheiße stinkt auch digital!


Sie sind als Referent auf etablierten digitalen Medien-Kongressen präsent. Was macht Sie als Mitarbeiter der Kirche so interessant, dass Sie eingeladen werden?

Anfänglich war ich für viele vor allem der Typ von der Kirche, der man im Bereich „Digitale Medien“ nichts zutraut. Scheinbar habe ich es jedoch geschafft zu zeigen, dass auch ein 2000 Jahre altes Unter­nehmen digitale Kommunikation auf Höhe der Zeit machen kann. Vor allem, wenn man kreative Menschen einfach mal machen lässt. Gerade in unserem Bistum bringt man den Verantwortlichen für diesen Bereich ein großes Vertrauen entgegen. So kann guter Content auch ohne unzählige Arbeitsgruppen und gestaltete Mitten entstehen.


Wie kann eine neue Sprache der Kirche aussehen? Kommt man nicht dort an Grenzen, wo Glaube beginnt?

Eine Sprache, die sich an der Zielgruppe orientiert. Wir müssen uns verändern, um verstanden zu werden; nicht die Gesellschaft muss sich verändern, um uns zu verstehen. Es sollte eine Sprache sein, die deutlich macht, dass Einfachheit – in Form von kurzen, einfachen und prägnanten Sätzen – nicht Beliebigkeit bedeutet, sondern sehr wohl dazu geeignet ist, über den Glauben authentisch und ehrlich zu sprechen.


Kann sich Kirche von Menschen, die die digitale Marketinglogik beherrschen, für die Zukunft etwas versprechen?

Auf jeden Fall. Die größte Herausforderung besteht jedoch darin, diesen Menschen zu zeigen, dass auch sie sich etwas davon versprechen können, wenn sie für uns aktiv werden.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft: Mehr Influencer? Bessere? Andere?

Ich wünsche mir vor allem Menschen, die einfach von ihrem Glauben erzählen können und dabei verstanden werden. Menschen, die nicht als Influencer für eine Institution wie die Kirche auftreten, sondern Menschen, denen ich gerne im alltäglichen Kontext zuhöre und dann denke: „Man, du inspirierst mich!“


 

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