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Text: Marc Baumann |
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Marc Baumann, geboren 1977 in Fürstenfeldbruck, hat parallel zu seiner Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in London (Politik) und München (Kommunikationswissenschaften, Politik und Wirtschaftsgeschichte) studiert. Seit dem Jahr 2007 ist er Mitarbeiter des Magazins der Süddeutschen Zeitung (SZ-Magazin).
Seinen redaktionellen Beitrag zu diesem Thema können Sie hier nachlesen.
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„Sie fordern, dass Pfarrer mal richtig den Mund aufmachen. Wie sollte so etwas aussehen?“
Andere rauchen oder machen Yoga, um dem hektischen Alltag kurz zu entkommen, ich gehe in Kirchen. Auf jeder Geschäftsreise, in jedem Urlaub oder auch nur schnell mal in der Mittagspause daheim in München. An keinem anderen Ort komme ich so schnell zur Ruhe wie auf einer Kirchenbank. Das harte Holz, die kühle Luft, die Stille. Man kann gut nachdenken in Kirchen, finde ich, Tod und Auferstehung, Liebe und Sünde, Schuld und Vergebung, hier werden die großen Themen verhandelt. Schade nur: Sobald ein Gottesdienst beginnt, gehe ich.
Das, wofür die Kirche erbaut wurde, interessiert mich am wenigsten. Nie hat mich ein Pfarrer mit seinen Worten gefesselt, provoziert, mitgerissen, herausgefordert. Ob Katholiken oder Protestanten, sie sagten, was man dachte, dass sie sagen werden. Dabei predigen sie in einer arg krisengeschüttelten Welt an sich die richtigen Dinge: Miteinander statt gegeneinander. Die frohe Botschaft klingt nur so brav, so angestaubt, so ritualisiert.
Jesus galt den Herrschenden als Revolutionär, ein Aufwiegler, ein Staatsgefährder, der gekreuzigt werden musste für seine Botschaft der Liebe, so aufrüttelnd muss sie gewesen sein. In alten Apostelbriefen liest man von stundenlangen, glühenden Predigten. Und heute? Gehet hin in Frieden. Dank sei Gott, wenn der Pfarrer den Gottesdienst endlich beendet.
Warum ist die Kirche, die immer weniger Menschen anzieht, so brav, so leise? Wo sind die Pfarrer, die ihrer Gemeinde donnert die Leviten lesen? Wo ist Don Camillo, wenn die Menschen immer mehr zu Peppone werden? Ich wünsche mir Pfarrer, die man nicht ignorieren kann, deren Rat man sucht, deren Worte einem den Spiegel vorhalten. Große Prediger. Eine dringend benötigte moralische Instanz, die niemandem gefallen muss und höhere Wahrheiten ausspricht.
Ich habe mit einigen Pfarrern über Predigten gesprochen, sie möchten sie kurz halten, leicht verständlich, versöhnlich. Papst Franziskus, ihr Chef, macht es doch vor: Dinge anders machen, neu, herausfordern, unbequeme Wahrheiten ansprechen. Dann bleibe ich gerne sitzen.
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