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Foto: © 31M

Im Interview: Ulrich Lota

 

 
   

 

Ulrich Lota, Jahrgang 1959, ist Leiter der Stabsabteilung Kommunikation im Bischöflichen Generalvikariat Essen und Pressesprecher des Bistums Essen.

Lota hat Journalistik und Politikwissenschaft an der TU Dortmund (Dipl.-Journ.) studiert. Danach arbeitete er zunächst als Volontär und dann als Redakteur bei der Neuen Rhein/Ruhr Zeitung in Essen. Seit 1995 ist er beim Bistum Essen beschäftigt. Ulrich Lota war bis März diesen Jahres Vorsitzender der Arbeits­gemeinschaft der (erz-)bischöf­lichen Pressesprecher (2002- 2016). Er ist Mitglied der Landesmedienkommission NRW (seit 2010) und Mitautor des Handlexikons „Katholisch A-Z“ (Herder-Verlag, 2009).

 
   

 

 

wissen/nicht wissen: Der mediale kirchliche Analphabetismus

Herr Lota, würden Sie sagen, dass es Verständnisprobleme zwischen Kirche und Gesellschaft gibt?

Ja, die gibt es.

Worauf basiert Ihrer Meinung nach das größte Verständnisproblem?

In einer zunehmend pluraler und säkularer werdenden Gesellschaft fehlt es der Öffentlichkeit schlichtweg an einem Grundwissen Kirche. Die Zeit der Volkskirche ist vorbei. Die so genannten beiden großen Kirchen sind zwar nach wie vor groß, stehen aber im Wettbewerb um Aufmerksamkeit mit anderen Gruppen. So ist beispielsweise öffentlich nicht vermittelbar, dass es nicht d i e katholische Kirche in Deutschland gibt. Wir sind nicht ein Konzern mit vielen Filialen, sondern ein ‚Unternehmen’ mit heterogenen Strukturen.

Gibt es eine Art ‚kirchlichen Analphabetismus’, wenn Kirche mit Journalisten kommuniziert und wenn auf der anderen Seite Journalisten mit und über Kirche kommunizieren?

Zweifellos gibt es einen kirchlichen Analphabetismus. Und richtig ist auch, dass es hier und da in der Kirche einen medialen Analphabetismus und eine gewisse Medienangst gibt. Dennoch: Die Medienarbeit der Kirche hat sich in den zurückliegenden Jahren enorm professionalisiert. Im Übrigen ist es mir egal, ob ein Journalist, der über Kirche schreibt, gläubig ist oder nicht. Er muss aber sein journalistisches Handwerk verstehen. Dazu gehört für mich vor allem auch die wichtige Eigenschaft, sich als Journalist mit einem Thema ergebnisoffen zu beschäftigen. 

Auf welche Hürden treffen Sie, wenn Sie mit Journalisten zusammenarbeiten oder sich mit Ihnen austauschen?

Das größte Hindernis besteht darin, dass manche Journalisten ihre eigenen Klischees oder Vorurteile über Kirche nicht hinterfragen.

Wie empfinden Sie generell die öffentliche Rezeption kirchlicher Inhalte?

Grundsätzlich gut.

Wird das, was von Kirchenvertretern gesagt wird, auch immer korrekt von Journalisten wiedergeben oder interpretiert?

Über Kirche und Kirchliches wird in der Regel journalistisch fair und differenziert berichtet. Allerdings neigen manche Medien dazu, mit Blick auf Auflage und Quote bestimmte Themen zu skandalisieren oder bewusst einseitig darzustellen. Da wiederum teilen wir das Schicksal mit anderen gesellschaftlichen Gruppen.

Wie schätzen Sie den Stellenwert kirchlicher Nachrichtenwerte ein? Haben sie bei Journalisten dieselbe Priorität wie andere Mitteilungen?

Wenn ich mir unseren täglichen Pressespiegel ansehe, habe ich keinen Grund zur Klage. Unsere Themen kommen in den Medien vor – mal mehr, mal weniger.

Rücken kirchliche Botschaften in den Medien also nicht, wie hin und wieder behauptet wird, in den Hintergrund?

Mein Eindruck ist, dass die Stimme der Kirche immer noch gefragt ist. Bei großen gesellschaftlichen Fragen und Problem wollen Journalisten wissen, was die Kirche dazu sagt: ob im Umgang mit Lebensanfang und Lebensende, ob zum Umgang mit Flüchtlingen oder Menschen in Notlagen.

Wie kann man erreichen, dass Journalisten Kirche und ihre Inhalte besser verstehen? ‚Übersetzen’ Sie zum Beispiel kompliziertere Angelegenheiten, Entscheidungen oder Botschaften?

Zunächst einmal ist es wichtig, die Kolleginnen und Kollegen auf der ‚journalistisch anderen Seite’ gut zu kennen. Uns sind gute Kontakte zu Journalisten und Redaktionen sehr wichtig. Von kirchlichen Pressestellen kann im Übrigen erwartet werden, dass sie die oft unverständliche ‚Kirchensprache’ gut verständlich ‚übersetzen’. Richtig ist auch, dass wir sehr viel mehr erklären müssen, als wir es früher getan haben. Dafür gibt es in unserem Pressedienst beispielsweise „Das Stichwort“ oder in unseren sozialen Medien kleine ‚Erklärfilme’. 

Müssen Foren angeboten werden, zu dem Sie Journalisten zu neuen Diskursstrukturen einladen?

Die Informations- und Recherchemöglichkeiten für Journalisten sind heute nahezu unbegrenzt. Neben den vorhandenen Diskursmöglichkeiten wie Pressegespräche und Hintergrundtreffen bedarf es meiner Ansicht nach keiner eigenen Foren.

Welchen Anteil an den Verständnis-Barrieren haben die nicht-kirchlichen Journalisten?

Wer als Journalist etwas nicht versteht, muss fragen. Das gehört zu seinem Job. Niemand muss Theologe sein, um über Kirche zu schreiben, niemand Medizin studiert haben, um über Präimplantationsdiagnostik zu berichten. Was ein Thema ist, unterliegt immer journalistischen Kriterien. Mangelnder Respekt vor einer Institution darf keinesfalls ein Hinderungsgrund sein, sich mit einer Sache journalistisch auseinanderzusetzen. Im Übrigen habe ich diesen mangelnden Respekt bislang nur sehr selten erfahren.

Ist der Eindruck richtig, dass sich kirchliche Medienarbeit zu stark mit dem Kern der treuen Kirchgänger befasst?

Grundsätzlich würde ich diesen Eindruck teilen. Allerdings ist auch festzustellen, dass die kirchliche Medienarbeit immer stärker auch die treuen Kirchenfernen in den Blick nimmt und sich medial neu aufstellt.

Der Vorstandsvorsitzende der Hubert-Burda-Medien AG, Paul-Bernhard Kallen, hat die Kirchen auf dem katholischen Medienkongress 2014 aufgefordert, sich aktiver in gesellschaftliche Kommunikation einzumischen. Dazu müsste sich Kirche auf die Veränderungen der Medien einstellen und zugleich müsse die Qualität der Beiträge stimmen. Hat er Recht?

Ja, er hat nach wie vor Recht. Die Kirche muss sich – wie andere gesellschaftliche Gruppen auch - auf den raschen Medienwandel und das veränderte Mediennutzungsverhalten einlassen und einstellen.

Lässt sich für Kirche eine Medienangst konstatieren, die aus einem Missverstehen von Journalismus und dessen Arbeitsweise resultiert?

Wo immer in der Kirche diese Medienangst festzustellen ist, resultiert sie tatsächlich daher, dass die Arbeitsweise von Journalisten nicht verstanden wird. 

Warum sprechen Kirchenleute wie Bischöfe oder Pfarrer im 21. Jahrhundert immer noch im ‚Kirchensprech’? Warum wird sich nicht an moderne Sprech- und Hörgewohnheiten angepasst?

Ehrlich gesagt: Das wüsste ich auch gerne! Ganz sicher haben es viele nicht anders gelernt oder glauben einfach, dass diese Sprache Kirche ausmache. 

Welchen Anteil an diesen Verständnis-Barrieren hat dieser sogenannte Kirchensprech?

Der Anteil ist sehr hoch. Wer versteht schon kirchliche Lehrschreiben oder Hirtenworte? Wer hatte nicht schon Lust, einen Prediger aufzufordern, besser ein Gebet zu sprechen? Manchem gelingt es nicht, sich aus dem theologisch-wissenschaftlichen Elfenbeinturm in den ganz normalen Alltag zu begeben. Besonders schlimm wird es dann aber, wenn Reden, Texte und auch Gebete mit hohlen kirchlichen Worthülsen gefüllt werden. Im Übrigen sind viele Kirchenbegriffe heute auch schlichtweg nicht mehr bekannt. Vor einigen Jahren habe ich zum Beispiel erlebt, wie ein promovierter Arzt mich fragte, was es denn bei der Vesper zu essen gebe…

Die Kolleginnen und Kollegen in den bischöflichen Pressestellen wissen um die besondere Problematik und verstehen sich alle als „Übersetzer“. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut.

Im Zuge des Missbrauchsskandals an Schutzbefohlenen hat die Journalistenvereinigung Recherche der katholischen Kirche die zweifelhafte Trophäe der schweigsamen Auster überreicht. Analysiert wurde von ‚Laudator‘ Heribert Prantl, die Kirche habe ihre einstmals virtuos beherrschte Fähigkeit des öffentlichen Sprechens ganz verloren. Stimmen Sie zu?

Wie Sie sicher wissen, hat der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, den Preis entgegengenommen – und damit mehr Mut gezeigt, als vorherige ‚Preisträger’. In seiner Gegenrede hat er freimütig eingeräumt, dass die Kirche sicher Fehler in der Kommunikation gemacht habe, zugleich aber dabei sei, diese Fehler aufzuarbeiten. Keinesfalls verschließe sich die Kirche der Kommunikation. Insoweit hat sie auch nicht die Fähigkeit des öffentlichen Sprechens verloren. Allerdings bin ich der Meinung, dass sich Kirche immer als eine lernende Organisation verstehen muss. Da geht sicher noch was…

Kommunikation ist ein Segen. Daran erinnert Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2015 und der deutsche Medienbischof, Gebhard Fürst, sagt in seiner Erklärung, anlässlich des sogenannten Mediensonntags: „Wir brauchen Kommunikation, die im Dialog zwischen Gott und Mensch zu Vergebung führt.“ – Sie sind Journalist, können Sie uns sagen, wie Sie das machen?

Sorry. Ich bin Journalist – und kein Theologe. Wenn ich Bischof Fürst demnächst treffe, werde ich ihn einfach fragen, was er damit meint.

Der Papst hat in seinem Apostolischen Schreiben „Amoris Laetitia“ der Kindeserziehung ein eigenes Kapitel gewidmet. Darin lässt er einen geordneten Umgang mit Medien ganz selbstverständlich einfließen. Hat Sie das überrascht?

Nein. Der Papst hat richtig erkannt, wie wichtig es heute für Kinder und Jugendliche ist, einen kompetenten Umgang mit Medien zu erlernen. Das ist für mich ein wichtiger Bildungsauftrag der Eltern aber auch der Kirchen.

Inwieweit kommen Sie in Ihrer Funktion als Stabsstellenleiter Kommunikation Ihrer Aufgabe nach, zwischen Kirche und massenmedialer Öffentlichkeit eine verständigungsorientierte Kommunikation zu platzieren?

Die Frage zeigt mir, dass es nicht nur ‚Kirchensprech’, sondern auch ‚Mediensprech’ gibt. Aber im Ernst: Das ist natürlich für mein Team und mich eine ständige Herausforderung, so zu kommunizieren, dass unsere Inhalte bei den Rezipienten ankommen.

Gibt es ein „Rezept“, wie der Pressesprecher des Bistums Essen seine Botschaft in einer weithin säkularen Gesellschaft verkündet?

Das Rezept besteht im Wesentlichen darin, die Lebenswirklichkeit wahrzunehmen und sich auf das veränderte Mediennutzungsverhalten einzulassen.

Was wünschen Sie sich von zukünftiger Zusammenarbeit mit Journalisten? Wie sollte journalistische Arbeit aussehen, wenn es um kirchliche Inhalte geht?

Ich wünsche mir, was sich alle wünschen sollten: Dass Journalisten gut recherchieren, kritisch nachfragen und fair berichten.

 

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