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Text: Bischof Dr. Stephan Ackermann
 

Bischof Dr. Stephan Ackermann, geboren am 20. März 1963 in Mayen/Eifel, erhielt 1987 die Priesterweihe in Rom und die Bischofsweihe im Mai 2006. Seit Mai 2009 ist er Bischof von Trier. Ackermann ist Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich und Vorsitzender der Deutschen Kommission "Justitia et Pax". Außerdem ist er Mitglied der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz und Mitglied der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz.


 
   
 

 

 

 

„Herr Bischof Ackermann, Papst Franziskus ist nun seit mehr als zwei Jahren im Amt – wie schätzen Sie sein öffentliches und gesellschaftliches Wirken bis heute ein? Wie hat er die katholische Kirche wohl verändert? Und was könnte man aus Ihrer Sicht an seinem medialen Auftreten positiv und vielleicht auch negativ hervorheben, kritisieren?“

Während ich die Antwort formuliere, befindet sich Papst Franziskus auf seiner Reise nach Kuba. Die Hauptabendnachrichten im Fernsehen berichten ziemlich ausführlich vom Papst. Bei seiner Messe auf der Plaza de la Revolución in Havanna legt der Papst das Jesuswort aus, das in der Leseordnung für diesen Sonntag weltweit vorgesehen ist: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ Die Spitzensätze der Papstpredigt schaffen es sogar wörtlich in die Nachrichten: „Wer groß sein will, bedient sich nicht der anderen, sondern dient ihnen“, und: „Wer nicht lebt, um zu dienen, dient nicht dem Leben.“ Unter den Hörern in der ersten Reihe sitzt Staatschef Raúl Castro … Klare, ungeschnörkelte und zugleich bildreiche Sätze: Sie gehören zur medialen Wirkung von Papst Franziskus. Aus seinen Ansprachen ließen sich zig Beispiele für diese Art von Rede nennen: Die Kirche als „Feldlazarett“, die „verbeulte“ Kirche, das Mittelmeer als „Friedhof“ verzweifelter Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben, Hirten der Kirche, die den „Geruch der Schafe“ annehmen sollen …

Aber der Papst hat nicht nur einen Sinn für einprägsame Worte, sondern auch für eindrückliche Zeichen. Erinnert sei nur an seinen Besuch auf Lampedusa, an den weltweiten Aufruf zu Fasten und Gebet angesichts eines drohenden amerikanischen Militärschlags auf Syrien im Jahr 2013, an das Friedensgebet mit den Präsidenten Peres und Abbas in den Vatikanischen Gärten, an den Besuch bei den Opfern des fürchterlichen Taifuns Yolanda auf den Philippinen, den Besuch im Gefängnis von Santa Cruz in Bolivien. Papst Franziskus ist ein großer medialer Kommunikator, der in seinem Handeln sicher nicht rein intuitiv vorgeht, aber auch nicht bloß auf die mediale Wirkung schielt. Seine zeichenhaften Handlungen wirken deshalb so stark, weil die Menschen spüren: Der Papst hat Recht. Er legt die Finger in die Wunden unserer Zeit. Er ist menschlich und hat wirklich ein Herz für die Menschen. Er meint es ernst. Damit hat der Papst als moralische Weltautorität noch einmal an Gewicht gewonnen. Mit seiner Art der zeichenhaften Kommunikation passt Franziskus nicht nur ideal in unsere heutige Welt der Bilder, Icons und Kurznachrichten, sondern erinnert auch an das, was wir die sakramentale Struktur der Kirche nennen. Denn die Kirche lebt seit jeher wesentlich aus den Sakramenten, das heißt aus realsymbolischen Zeichen der Nähe Gottes. Sie sagen und bewirken mehr als tausend Worte.

Die innerkirchliche Wirkung des Papstes sehe ich zum einen in seiner konsequenten Orientierung auf die Armen hin. Mag hierbei seine lateinamerikanische Herkunft eine wichtige Rolle spielen, so bringt der Papst damit zugleich eine zentrale Dimension der Verkündigung Jesu neu nach vorne, die in unseren Ländern des Nordens zwar nicht vergessen ist (man denke nur an das vielfältige Engagement für die Kirchen in Südamerika, in Afrika und Asien), aber auch nicht erste Priorität genießt. Zu dieser Orientierung an den Armen gehört auch der päpstliche Aufruf, an die „Peripherien des Lebens“ zu gehen, die ja nicht nur geographisch zu verstehen sind. Wir sollen als Kirche keine Nabelschau betreiben, sondern hinausgehen auf die Straßen der Welt. Dieser Aufruf stellt bisheriges Kirchendenken nicht nur bei uns spürbar infrage.

Zu all dem gehört – und das ist das Zweite - der ehrliche Blick des Papstes auf die Realitäten von Welt und Kirche. Ohne die Werte und Ideale des Evangeliums und der Kirche aufzugeben, fordert der Papst Wahrhaftigkeit ein. Deshalb die Fragebogenaktionen zu den Synoden über Ehe und Familie. Papst Franziskus, geerdet durch seine seelsorglichen Erfahrungen in Buenos Aires, beschwört nicht nur das gläubige Ideal, sondern sucht die Nähe zum konkreten, alltäglichen Leben der Menschen. Ein solch nüchterner Blick auf die Realitäten von höchster lehramtlicher Stelle ist ungewohnt und führt zu Diskussionen, die der Papst zulässt, ja offensichtlich will. Damit hat er spürbar die Gesprächskultur in der Kirche verändert. Sie ist offener und zugleich kontroverser geworden. Unterschiedliche Standpunkte, die vielfach vorher schon da waren, treten deutlicher zutage. Das ist gut, aber nicht immer angenehm.

Was kann man am medialen Auftreten eines Menschen kritisieren, der derart präsent ist wie Papst Franziskus, obwohl er den üblichen optischen Kriterien der Medien – von der weißen Soutane einmal abgesehen – wohl nicht ganz entspricht. Wenn ich etwas kritisch anmerken sollte, dann wäre es auch bei Papst Franziskus - trotz seiner starken Gesten – der Wortreichtum. Muss wirklich jedes Wort, das der Papst öffentlich sagt, dokumentiert werden? Selbst für mich als Bischof ist es angesichts der Fülle von Ansprachen, Predigten und umfangreichen Enzykliken unmöglich, die Verkündigung des Papstes bewusst wahr- und aufzunehmen. Durch die Flut an Texten, verliert der einzelne Text an Wert und wird oft auf ein, zwei Spitzenaussagen reduziert. Weniger wäre hier mehr.



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