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Im Interview:
Markus Wiesenberg

 

 
   

 

Markus Wiesenberg, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strategische Kommunikation an der Universität Leipzig. Er promoviert zum Kommunikationsmanagement der Kirchen unter den Bedingungen der medialen und religiösen Transformation. Weitere Schwerpunkte sind Mitgliederkommunikation, Nonprofit-Kommunikation, Internationale Kommunikation sowie Leadership Communication. Weiterhin betreut er den European Communication Monitor - die weltweit größte Umfrage im Bereich strategische Kommunikation -  als Senior Project Manager.

 
   

 

 

bewegt/unbewegt: Kirche und Glaube auf YouTube

Herr Wiesenberg, Sie sind wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften der Universität Leipzig und haben zusammen mit Professor Dr. Ansgar Zerfaß die Social-Web-Kommunikation der Kirchen in Deutschland untersucht. Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie in Bezug auf YouTube?

Die Studie basiert auf zwei Datenerhebungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr 2014 von zwei Studierenden über sechs Wochen erhoben und dann von uns tiefgehender ausgewertet wurden. Eine zusätzliche Datenerhebung folgte im Frühjahr 2015. Die YouTube-Kanäle der Bistümer und Landeskirchen spielten in der Studie eine untergeordnete Rolle. Deshalb haben wir uns zunächst auf die Anzahl der YouTube-Abonnenten konzentriert. Zum Stichtag 3.2.2015 hatten 9 der 16 EKD-Gliedkirchen (56 Prozent) und 19 der 27 (Erz-)Bistümer (70 Prozent) einen eigenen YouTube-Kanal. Folgt man der Abonnentenzahl, dann waren zu diesem Stichtag nur zwei Landeskirchen unter den ersten zehn. Unter den ersten 20 der insgesamt 28 untersuchten (Erz-)Bistümer und Landeskirchen finden sich nur 5 Landeskirchen wieder. Während der sechswöchigen Erhebung 2014 konnten wir insbesondere beim Bistum Hildesheim (19,7 Prozent) und dem Erzbistum Freiburg (14,9 Prozent) sowie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (12 Prozent) deutliche Zugewinne an Abonnenten feststellen.

Wie schätzen Sie die Bedeutung von YouTube als Kommunikationskanal für die Kirchen in Deutschland ein?

Es ist schwierig, einen einzelnen Social-Web-Kanal zu bewerten. Am sinnvollsten bleibt hier sicher eine integrierte Social-Web-Kommunikation, in der die Kanäle miteinander vernetzt werden. YouTube bietet sich hervorragend zur Einbettung in andere Social-Web-Kanäle an. Betrachtet man YouTube als Kommunikationskanal nicht losgelöst von den anderen Kanälen, sondern im harmonischen Ensemble, dann kann YouTube sicher eine wesentliche Bedeutung für die Kirchen in Deutschland und deren strategische Social-Web-Kommunikation spielen. Insbesondere die ALS Ice Bucket Challenge hat die viralen Möglichkeiten sehr gut vor Augen geführt.

Unterscheiden sich katholische und evangelische Kirche in ihrem jeweiligen Auftritt auf YouTube?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt bei den offiziellen YouTube-Präsenzen sowohl bei den (Erz-)Bistümern als auch bei den EKD-Gliedkirchen erhebliche Unterschiede was die Professionalität des Auftritts angeht.

Ihre Studie kommt zu dem Schluss, dass katholische Internetnutzer deutlich aktiver sind als protestantische. Gilt das auch für YouTube? Und haben Sie eine Erklärung dafür?

Wir haben in unserer Studie nicht das Internetnutzungsverhalten weder von katholischen noch von protestantischen Nutzerinnen und Nutzern untersucht. Wir beziehen uns jedoch auf eine Studie aus dem Jahre 2011, die genau das gezeigt hat. Die Studie analysiert insbesondere die Facebook-Nutzung. Interessanterweise kommunizieren Protestantinnen und Protestanten – laut der Studie – häufiger in sozialen Netzwerken über Glaube und Religion als Katholikinnen und Katholiken, obwohl katholische Nutzerinnen und Nutzer diese häufiger nutzen. Für die YouTube-Nutzung haben wir bisher noch keine validen Daten.

Inwieweit soziales Verhalten – und kommunizieren und Kontakte pflegen im Social-Web kann sicher auch dazu gezählt werden – von der Kirchen- oder Religionszugehörigkeit abhängt, ist eine Frage, die bereits Soziologen wie Max Weber beschäftigten. Der Protestantismus hierzulande scheint eher etwas abwartend-skeptisch gegenüber dem Social-Web zu sein. Sicher hängt das auch mit einer kritischeren Mediensicht zusammen, die sich vielleicht auch auf die Mitglieder auswirkt (Stichwort „kollektives Gedächtnis“). Das Social-Web und auch andere Medien sind sehr stark durch Bilder geprägt – der Protestantismus konzentriert sich aber auf das Wort. Hierin könnte eine Erklärung liegen.

In Ihrer Untersuchung fanden Sie heraus, dass die Bistümer den Katholikentag 2014 positiv für ihre Social-Web-Auftritte genutzt haben. Hat sich dieser positive Effekt auch auf YouTube gezeigt?

Zumindest was die Abonnentenzahlen angeht, sind da keine besonders auffälligen Effekte zu verzeichnen.

Für Heinrich Bedford-Strohm, den neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, sind soziale Netzwerke für die tägliche Kommunikation unverzichtbar. Wie nutzt er YouTube und wie nutzen die Gliedkirchen der EKD das Medium YouTube?

Inwieweit der Ratsvorsitzende YouTube persönlich nutzt, kann ich nicht sagen. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern bindet ihn jedoch sehr gut in ihren YouTube-Kanal mit ein. Hier ist durchaus eine Personalisierungsstrategie auf Landeskirchenebene erkennbar.

Insgesamt wurden über den sechswöchigen Untersuchungszeitraum 25 Videos von lediglich vier EKD-Gliedkirchen veröffentlicht. Dabei war die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit mindestens einer Veröffentlichung pro Woche ganz vorn. Die Videos werden durch das Medienhaus der EKHN produziert.

Sie haben die YouTube-Accounts der Landeskirchen und (Erz-)Bistümer auf die Anzahl der Abonnenten untersucht. Welche Landeskirchen und (Erz-)Bistümer besitzen einen YouTube-Kanal und wie viele Abonnenten haben sie jeweils?

Zum Stichtag 15. April 2015 sind es vor allem die (Erz-)Bistümer, die durch eine hohe Abonnentenzahl auffallen. Hier sind vor allem das Bistum Rottenburg-Stuttgart (409 Abonnenten), das Erzbistum Freiburg (336 Abonnenten) sowie die Bistümer Essen (282) und Würzburg (281) zu nennen. Gleich dahinter folgt das kleine Bistum Eichstätt (234 Abonnenten) und Münster (209) sowie die Bistümer Mainz (167), Hildesheim (159) und Regensburg (136). Erwähnenswert sind auch noch die Erzbistümer Hamburg (149 Abonnenten), Paderborn (122) sowie Bamberg (93), Berlin (79) und das Bistum Trier (78). Bistümer wie Limburg (58), Augsburg (51), Aachen (46), Dresden-Meißen (23) oder Fulda (23) sind da schon weiter abgeschlagen.

Auf Evangelischer Seite ist die EKHN mit 269 Abonnenten sowie die Bayrische (175) und Badische Landeskirche (128) erwähnenswert. Dahinter folgt die Evangelische Kirche im Rheinland (72), wo sich in letzter Zeit etwas mehr bewegt. Bei der Nordkirche (50 Abonnenten) und der Westfälischen Landeskirche (49) sowie der EKBO (21), der Evangelischen Kirche der Pfalz (20) oder der Bremischen Landeskirche (7) sind keine besonderen Zuwächse erkennbar.

Was kommunizieren die Landeskirchen und (Erz-)Bistümer auf ihren YouTube-Kanälen, was wird gezeigt?

Das haben wir bisher noch nicht untersucht, da die Fallzahl noch zu gering erschien.

Was glauben Sie, warum haben einige Landeskirchen und (Erz-)Bistümer deutlich höhere Abonnenten-Zahlen als andere?

Die hängt sicher mit der strategischen Ausrichtung zusammen. Die wenigsten Landeskirchen und (Erz-)Bistümer haben scheinbar eine strategische Ausrichtung der Social-Web-Aktivitäten.

Welches Bistum, welche Landeskirche in Deutschland ist führend in der Nutzung von YouTube und warum?

Es wird deutlich, dass die Kanäle, die viele Abonnenten haben, meistens professionell durch ein Medienhaus betreut werden (siehe das Bistum Rottenburg-Stuttgart oder die Landeskirche in Hessen und Nassau). Hier werden Kompetenzen gebündelt und können somit strategischer genutzt werden. Der Gedanke solcher internen Service-Dienstleister ist sicher sehr zielführend. Auch die Evangelische sowie Katholische Publizistik kann davon profitieren.

Sie schreiben, dass Social-Web-Plattformen wie YouTube, Facebook, Twitter und andere heute aus der strategischen Kommunikation von Organisationen aller Art nicht mehr wegzudenken sind. Dabei verstehen Sie strategische Kommunikation als bewussten und geplanten Einsatz von kommunikativen Aktivitäten zur Erreichung von Organisationszielen wie Identitätsbildung, Mitgliederbindung, Legitimitätssicherung etc. Erkennen Sie bei den beiden großen Kirchen Ansätze von strategischer Kommunikation bei der Nutzung von YouTube? Oder ist es eher weniger zielgerichtet, aber dafür kleinteilig, ausprobierend und unsystematisch?

Hier kann ich auf das Vorangegangene rekurrieren. Unternehmen bauen inzwischen eigene Teams dafür auf. Sie zeigen damit, wie man Kompetenzen bündeln kann und die Social-Web-Aktivität von einer einseitigen Kampagnenkommunikation strategisch zu einem viel frequentierten Service- und Dialog-Angebot ausbauen kann. Bisher erscheinen mir die YouTube-Angebote eher einseitig-informativ und wenig eingebunden in eine strategische Gesamtkommunikation. Die Kirchen stehen hier sicher noch am Anfang.

Sie schreiben, dass sich die deutschen Leuchttürme aber noch unter dem Niveau organisierter Glaubensgemeinschaften in den USA bewegen. Wie nutzen die Kirchen in den USA YouTube? Was machen sie anders?

YouTube bietet die Möglichkeit beispielsweise Konferenzen und andere Ereignisse einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dies wird in den USA häufig genutzt. Es fällt aber insbesondere auf, dass die YouTube-Kanäle in die Webseiten eingebunden sind. YouTube wird in den Kirchen der USA als Teil der Social-Web-Kommunikation betrachtet und dementsprechend integriert.

Was halten Sie von dem Wettbewerb 1:31.tv? Ein Wettbewerb, den das Zentrum für angewandte Pastoralforschung aus Bochum ins Leben gerufen hat und bei dem 16 bis 25-jährige aufgerufen wurden, Filme in der Länge von 1:31 oder 3:31 Minuten zu den Themen Glaube, Liebe, Hoffnung einzureichen.

Ich finde diesen Ansatz sehr gut. Er zeigt eine weitere Möglichkeit auf, wie auf lokaler aber auch auf regionaler oder sogar nationaler Ebene dieses Instrument zur Aktivierung eingesetzt werden kann.

Was glauben Sie, wie werden die Kirchen in Deutschland zukünftig YouTube nutzen?

Die Nutzung wird sich weiter professionalisieren. Insbesondere die cross-medialen Möglichkeiten werden bisher deutlich unterschätzt. Auch die älteren Menschen beschäftigen sich zunehmend mit dem Social-Web. Für die Kirchen kann dies auch eine kreative Spielwiese sein, um Menschen in ihrem Alltag neu abzuholen. Der Wettbewerb 1:31.tv zeigt dies sehr eindrücklich. Hier gilt es auch offen zu sein für die kreative Neuaneignung des Glaubens.

 

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