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„Herr Handl, Sie sind Ex-Scientologe, waren lange aktives Mitglied bei Scientology und klären nun auf Ihrem Blog auf, wie gefährlich Sekten sind. Was ist Ihnen in Bezug auf Sprache, Kommunikation und Wortschatz in Sekten aufgefallen? Was macht die Faszination Scientology aus, wie kann man „Gläubige“ an sich binden? Wodurch zeichnen sich interne Kommunikations- und Machtgefälle aus? Und wie emotional ist die sprachliche Grundstimmung dort?“
Ich möchte vorausschicken, dass es sich bei Scientology um keine Religion handelt, sondern lediglich um eine Organisation, die sich des Deckmantels einer „Kirche“ bedient – ich war 28 Jahre dabei und anderes wäre mir aufgefallen.
Um mit der letzten Frage zu beginnen. Scientologen stehen unter dem Eindruck des Credos von Sektengründer L. Ron Hubbard, das da lautet: „Die gesamte qualvolle Zukunft dieses Planeten – jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes darauf – und ihr eigenes Schicksal für die nächsten endlosen Billionen Jahren hängen davon ab, was sie hier und jetzt mit und in der Scientology tun. Dies ist eine tödlich ernste Tätigkeit. Und wenn wir es versäumen, jetzt aus der Falle herauszukommen, dann haben wir vielleicht niemals wieder eine andere Chance. Denken sie daran, in all den endlosen Billionen Jahren der Vergangenheit ist dies unsere erste Chance, es zu schaffen.“
Dieser Vorgabe, die jedem Scientologen auf jedem Kurs usw. an erster Stelle begegnet, ist jedes Denken, Fühlen und Handeln geschuldet. Alles wird von „gläubigen“ Scientologen danach ausgerichtet. Alles – und ich meine: wirklich alles – wird daraus abgeleitet und erklärt bzw. akzeptiert. Als Regulativ gibt es eine Fülle von Kontrollmechanismen, mit Hilfe derer sich die Scientology-Führung der Loyalität ihrer Anhänger sicher sein kann.
Neben regelmäßigen Verhören (SecChecks – Sicherheitsüberprüfungen unter Zuhilfenahme eines Lügendetektors), die im Hinblick auf Abweichungen seitens der Scientology-Organisation stattfinden, sind es vor allem die sogenannten „Wissensberichte“, die jedes Scientology-Mitglied dazu verpflichten, jeden Verstoß gegen die Doktrin der Führung aufzuschreiben bzw. zu melden. Dadurch wird ein nahezu lückenloser Kontrollapparat geschaffen, der wie eine schwarze Wolke über dem Einzelnen schwebt.
Diese „Wolke“ bedingt ein entsprechendes Verhalten der Mitglieder, das bis in den Alltag reicht. Der einzelne Scientologe sagt zwar, dass er frei sei, spaltet aber völlig ab, dass er in einem rigiden System drinnen steckt, das ihm jede Freiheit nimmt.
Wenn man sich jetzt fragt, was die Faszination von Scientology ausmacht, kann man das nur mit einem Vergleich beantworten: Der Käse sieht für die Maus verlockend aus und signalisiert ein Vielerlei an angenehmen Dingen. Kaum beißt diese aber in den Käse, erfährt die Maus den leidvollen Teil. Was für die Maus letal endet, ist nicht mit dem Schicksal eines Scientologen 1:1 gleichzusetzen. Dieser lebt weiter, aber sein freies Denken und Fühlen stirbt ab – und sein Handeln sieht entsprechend aus.
Das „Zauberwort“ aus Sicht von Scientology ist einfach zu definieren: Kontrolle. Jeder Aspekt wird von der Führung kontrolliert, wobei jeder Scientologe „lernt“, sich selbst und andere zu kontrollieren und dies zu vermelden, um derart der Führung Arbeit abzunehmen.
Scientologen „glauben“ an diese Vorgaben und bauen sozusagen ihr Gefängnis selbst, sind Häftling und Wärter in einer Person. Dann treten sie ans Fenster ihrer Zelle und rufen der Menschheit ihre bereits bekannte Botschaft zu: „Die gesamte qualvolle Zukunft dieses Planeten – jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes darauf – und ihr eigenes Schicksal für die nächsten endlosen Billionen Jahren hängen davon ab, was sie hier und jetzt mit und in der Scientology tun.“
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