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geschmeidig/bissig: Glaubenskommunikation im Hochglanzdruck
Interview mit Dr. Matthias Meyer, Leiter des Bereichs Kirche und Gesellschaft
Welche Entwicklungen sehen Sie auf dem Gebiet der kirchlichen Printkommunikation und wie bewerten Sie diese?
Säkulare und kirchliche Medien ähneln sich: Wie in den säkularen Medien, so gibt es auch im kirchlichen Bereich eine stärkere Zielgruppenorientierung, eine zunehmende crossmediale Vernetzung von Inhalten und Redaktionen sowie eine Hinwendung zum Internet mit seinen Möglichkeiten. Vor diesen Herausforderungen und Entwicklungen steht die Medienlandschaft allgemein, egal ob konfessionell oder säkular.
Viele Bistumszeitungen schließen. Haben die klassischen Kirchenzeitungen ausgedient?
Bisher hat nur eine Bistumszeitung ihr Ende angekündigt, aber natürlich stehen massive Veränderungen im Raum. Positiv ist, dass die Bistumszeitungen noch immer rund 589.000 Abonnenten haben. Sicherlich waren es vor zehn oder 20 Jahren weit mehr. Aber wir müssen uns - glaube ich - auf dieses Potential von über einer halbe Million Abonnenten stützen.
Die Bistumspresse untersteht dem gleichen Wandel und gleichem Druck wie die gesamte Zeitungsbranche. Sie muss mit Digitalisierung und verändertem Leserverhalten kämpfen und nach neuen Modellen und Vertriebswegen suchen. Dieser Wandlungsprozess läuft und im Moment wird viel ausprobiert und getestet. In diesem Sinne ist seit Anfang des Jahres eine Kooperation der Bistumszeitungen im Medienhaus in Bonn entstanden, deren Grundlage eine gemeinsame Contentaustauschplattform ist, auf der Inhalte aus den einzelnen Redaktionen eingestellt und gemeinsam genutzt werden können. So ist eine bessere gemeinsame Planung von überregionalen Inhalten möglich, und ich freue mich sehr, dass dieses Modell gut angelaufen ist.
Ein weiteres Beispiel für neue Wege sind auch die Katholische Sonntagszeitung des Bistums Augsburg und die Münchener Kirchenzeitung. Hier existieren e-paper-Ausgaben der Printversionen mit erweitertem Inhalt (audio/video). Die Bistumspresse ist also nicht am Ende, sondern auf der Suche, wie die gesamte Zeitungs- und Zeitschriftenbranche
Wer liest heute überhaupt noch die klassische Kirchenzeitung?
Die Kirchenzeitungen stehen immer vor der Herausforderung, neue Leser zu gewinnen. Nach dem Sinusmilieu sind diese Leser hauptsächlich aus dem konservativ-etablierten Milieu, dem traditionellen Milieu sowie die bürgerliche Mitte. Aber wir erleben auch, dass sich junge Menschen für das interessieren, was in der Kirche in Deutschland, in den Bistümern und Pfarreien geschieht. Das sehen wir an den vielen Homepages, Foren und Socialmedia-Gruppen, die sich zu kirchlichen Themen im Internet finden. Das Interesse an den Inhalten und die Diskussion über diese Themen sinken nicht. Man muss diese Leser nur auf anderen Wegen erreichen, was aktuell versucht wird.
Wo und wie sehen Sie die Zukunft der Bistumspresse?
Die Vielfalt der Bistumszeitungen ist sehr wichtig. Sie ist ihre Stärke aber auch die größte Herausforderung. Jede Bistumszeitung ist anders, hat eigene Schwerpunkte und ein anderes Selbstverständnis. Es braucht einen lebendigen Themenmarkt, eine breite Auseinandersetzung mit Kirche und auch über die Interpretationen des kirchlichen Geschehens. So können Bistumszeitungen Teil der Glaubensvermittlung, des kritischen Diskurses und auch der Identitätsstiftung mit Kirche sein. Ginge diese Vielfalt verloren, wäre dies ein herber Verlust.
Wird der Kirchensteuerzahler Verständnis für hohe Kosten von professionellen Kommunikationsmitteln haben?
Natürlich sind Kosten immer ein heikles Thema. Investitionen in eine professionelle Medienarbeit erscheinen oftmals nicht vorrangig zu sein. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Kirche muss handlungsfähig sein, sie muss auf Entwicklungen reagieren und ihre Themen und Sichtweisen darstellen können. Kirche kann sich nicht aus der Gesellschaft herausziehen, sie ist in ihr. Von der Kirche wird eine professionelle Kommunikation erwartet, von Gläubigen ebenso wie von Kirchenfernen. Den Spielregeln der modernen und professionellen Kommunikation muss sich Kirche stellen und auf sie reagieren können, ohne sich dem Zeitgeist einfach anzupassen.
Gerade die laufenden Entwicklungen im Bereich der Bistumspresse und anderer kirchlicher Medien zeigen, dass man die Kosten im Blick hat und gleichzeitig jedoch auch versucht, die katholischen Publikationen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die konfessionelle Presse träg viel zur Vielfalt der Meinungen und der Medienlandschaft in Deutschland bei. Hier kann und darf sich Kirche, die immerhin knapp 25 Millionen Gläubige in Deutschland vertritt, nicht zurückziehen.
Es gab die Diskussionen um den Rheinischen Merkur und Weltbild: Was lernen Sie aus solchen Vorgängen und Debatten?
Zunächst ist wichtig zu sehen, wer die handelnden Personen sind. Das ist nicht die Bischofskonferenz, sondern das sind Gesellschafter in den jeweiligen Einrichtungen. Damals sahen die Gesellschafter des Rheinischen Merkurs die Notwendigkeit, die Zeitung aufgrund der schlechten Abonnentenzahl und hoher Zuschusskosten einzustellen. Ich finde es mutig und erfreulich, dass mit „Christ und Welt" als Beilage in DIE ZEIT ein erfolgreiches publizistisches Erbe des Rheinischen Merkur entstanden ist. Die Debatte um Weltbild bildet das Spannungsfeld ab, in dem sich Kirche und Gesellschaft manchmal befinden. Weltbild befindet sich im Moment in einer Phase des Umbaus und wird sich in diesem Rahmen auch mit ihrer Sortiments- und Geschäftspolitik befassen. Schön zu sehen ist, dass die neue Kooperation von Weltbild, Thalia, Bertelsmann, Hugendubel und der Telekom sehr gut angelaufen ist und die Erwartungen übertroffen hat.
Braucht die katholische Kirche nicht auch sehr massenfähige Blätter mit hohen Auflagen, die das moderne Christsein und die Zeitgenossenschaft aus dem Glauben ganz basal und populär kommunizieren?
Innerkirchlich sind wir gut aufgestellt: mit den Bistumszeitungen und vor allem mit den Pfarrbriefen. Wir dürfen die Pfarrbriefe als Massenmedium und Basiskommunikation in der Pfarrei nicht unterschätzen. Hier wird in wertvoller Weise vom Geschehen der Gemeinde berichtet und auch Glaubenswissen transportiert. Wir müssen vom Printprodukt nicht Abschied nehmen, aber wir dürfen auch nicht nur früheren Zeiten nachtrauern. Deshalb setzen wir auf das digitale Zeitalter und haben erfolgversprechende Aufbrüche wie zum Beispiel das Portal katholisch.de. Hier werden überdiözesane Nachrichten ebenso abgebildet wie Themen aus den Bistümern. Auch Themen des Glaubens werden gut und interessant aufbereitet, denkt man an das Videoformat „Katholisch für Anfänger". Dabei steht dieses Portal in besonderer Weise auch auf den Schultern der einzelnen Bistümer sowie der Katholischen Nachrichtenagentur KNA und anderer katholischer Publikationen.
Sollte es aus Ihrer Sicht ein überregionales katholisches Magazin geben, das als „brand setter" der katholischen Kirche fungiert?
Wir haben bereits viele und sehr unterschiedliche Marken in der katholischen Medienszene, wie „Christ und Welt", die Funkkorrespondenz, aber auch die Magazine und Zeitschriften sowie die Publikationen der Orden und Hilfswerke. Dabei setzt jedes unterschiedliche Schwerpunkte. Ob ein überregionales Magazin diese ersetzen kann, ist fraglich.
Vielleicht ist eine stärkere Kommunikation der einzelnen Redaktionen geeigneter, um einzelne Themen gezielt zu setzen, als ein eigen geschaffenes überregionales katholisches Magazin.
Die evangelische Kirche hat mit Chrismon eine überregionale und sehr beachtete Print-Initiative gestartet. Wie bewerten Sie Chrismon, und gibt es ähnliche Projekte auf katholischer Seite?
Eine Publikation wie Chrismon, als kostenlose Beilage einer großen Tageszeitung, die demnach jeden Leser/Leserin, ob sie will oder nicht, erreicht, gibt es in der Tat im katholischen Raum nicht. Dies liegt sicher auch an der unterschiedlichen Konstitution der evangelischen und der katholischen Kirche.
Was halten Sie von kirchenunabhängigen Glaubensmagazinen wie dem Printmagazin Theo oder dem Online-Magazin Manna?
Diese Formate zeigen, was ich anfangs bereits gesagt habe: Die konfessionelle Presse ist nicht tot. Es gibt ein Interesse an Magazinen solcher Art. Eine Auseinandersetzung mit dem Glauben auf einem sehr ästhetischen Weg, wie es ja zum Beispiel bei theo geschieht, kommt an und wird nachgefragt. Damit besetzen diese Magazine Sparten, die so sonst nicht bedient werden. Sie sind sehr stark auf eine Zielgruppe orientiert und mit ihrem Konzept erfolgreich.
Was kann die kircheneigene Presse von diesen neuen Magazinen lernen?
Dass kirchliche Inhalte und Glaubensthemen auch weiterhin relevant sind, auch wenn die Auflagen sinken. Sie können erfahren, dass eine stärkere Zielgruppenorientierung sinnvoll und erfolgreich sein kann.
Braucht es in der Welt von Internet, Social Media, Apps und Blogs überhaupt noch Printprodukte im Bereich der Glaubenskommunikation oder reichen in Zukunft nicht rein digitale Medien?
Nein, nur auf digitale Produkte zu setzen wäre ein Fehler. Man sollte, wie so oft, das eine tun und das andere nicht lassen. Das Internet sollte als zusätzlicher Vertriebsweg und als Mittel der Kommunikation genutzt werden und nicht als einzige Lösung und Königsweg angesichts der Digitalisierung der Medienlandschaft. Es eröffnet neue Möglichkeiten, Zielgruppen und Menschen zu erreichen, die durch Print vielleicht nicht angesprochen worden wären. Diesen Kommunikationsweg sollte man nutzen, sich aber nicht auf ihnen ausruhen und sie ebenso nicht als alleiniges Heilmittel für die Glaubenskommunikation sehen. Die Katholische Kirche braucht Printprodukte wie die Bistumspresse, den Pfarrbrief und die Katholische Nachrichtenagentur KNA.
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