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  Startseite Ausgabe 11 | 1.0/2.0 – Welche Chancen bietet Web 2.0 und wie sollte Kirche sie nutzen?
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Text: Andreas Illmer  

Andreas Illmer ist Leiter der New Media Abteilung der BJS Werbeagentur. Er ist seit 1995 als Digital Native online unterwegs. Mit seinem Team ist er für diverse erfolgreiche Online-Marketing-Aktivitäten von größeren sowie kleineren Unternehmen verantwortlich.



 
   

 

 

 

"Herr Illmer, Sie sind Head of New Media der BJS Werbeagentur in Essen und bezeichnen sich selbst als „Social Media-Junkie“. Wie schätzen Sie die Chancen der Kirche im Web 2.0 ein und wie muss sie sich präsentieren, um in der eingeschworenen Gemeinschaft von z.B. facebook ernst genommen zu werden?"

Eine interessante Frage. Wenn man sich das Social Web so anguckt, muss man sich zuerst einmal fragen, ob es sich tatsächlich um eine eingeschworene Gemeinschaft handelt. Facebook alleine zählt momentan in Deutschland über 17,5 Millionen aktive User. In dieser Größenordnung kann man wahrscheinlich nicht davon ausgehen, dass alle diese User die gleichen Wertevorstellungen besitzen. Da über 15 Millionen dieser Nutzer unter 45 Jahren alt sind, handelt es sich hierbei meines Erachtens vielmehr um das heterogene Abbild der jüngeren Gesellschaft.

Wenn man sich aber Studien zur Altersverteilung von regelmäßigen Gottesdienstbesuchern anguckt, sieht man, dass die Kirchen genau in dieser Altersgruppe ein erhebliches Problem haben. Es findet in diesem Alter kaum noch ein Kontakt zwischen den Kirchen und der Bevölkerung statt. Gleichzeitig bewegen sich diese Menschen aber täglich im Schnitt schon eine ¾ Stunde allein auf Facebook. Insofern besteht hier grundsätzlich ein sehr großes Potenzial mit Menschen in Kontakt zu kommen, die die Kirchen sonst nicht mehr erreichen könnten. Ob dies jedoch gelingt, hängt ganz stark vom Auftreten der Kirchen ab.

Grundsätzlich sind im Internet alle User gleichberechtigt. Es gibt effektiv keine Hierarchie. Und genau hier liegt das Problem für viele Unternehmen und eben auch für die Kirchen. Jede Meinung hat im Social Web erst einmal ihre Berechtigung. Das heißt nicht, dass jede Meinung grundsätzlich von allen Usern geteilt wird, aber das Recht auf freie Meinungsäußerung genießt im Internet einen sehr hohen Stellenwert. Dieser Anspruch der User widerspricht aber erst einmal den hierarchischen Strukturen der Kirchen. Eine Verordnung von oben á la "so ist es, weil es der Papst sagt" erlangt keine Akzeptanz bei den Usern. Institutionen die im Internet heute erfolgreich agieren wollen, müssen sich auf Augenhöhe mit den Usern bewegen sowie die gleichen Werte teilen.

Diese Werte lassen sich im Grunde auf drei Schlagworte zusammenfassen: Transparenz, Ehrlichkeit und Offenheit.

Im Web müssen auch die Kirchen sich und ihre Botschaft dem allgemeinen Diskurs stellen. Nur wenn sie bereit sind dies offen zu tun und ihr ganzes Handeln letztendlich auf die "Kunden" auszurichten, werden sie langfristig mit Wertschätzung und Respekt behandelt werden.

Aus diesem Respekt ergeben sich dann allerdings ganz neue Möglichkeiten des "Miteinanders", da eine Beziehung zwischen der Institution und der Einzelperson entsteht. Personen die einem Unternehmen "folgen" bzw. mit ihm "befreundet" sind, haben ein höheres Involvement. Sie agieren üblicherweise loyaler und werden langfristig auch in kritischeren Situationen eher an der positiven Meinung zu der Institution festhalten. Insgesamt also ein durchaus erstrebenswerter Zustand – auch wenn der Weg dahin nicht unbedingt einfach werden dürfte. Institutionen dieser Größenordnung lassen sich halt nicht so schnell verändern bzw. auf neue Werte einschwören. Aber dies ist den Usern im Social Web ebenfalls bewusst. Schon allein der ernst gemeinte Versuch "sozialer" zu werden dürfte im Fall der Kirchen sehr positiv im Web aufgenommen werden.

Letztendlich gibt es für die Kirchen wenig zu verlieren. Und die Chancen als Kirche erfolgreich im Web 2.0 zu agieren sind meines Erachtens bedeutend besser als allgemein vermutet. Aber vielleicht ist Mut genau das was den Verantwortlichen in den Kirchen momentan noch fehlt. Meiner Meinung nach jedoch zu Unrecht, geht es doch bei den Kirchen schon seit über 2000 Jahren um die Verbindung von Menschen und zu den Menschen sowie das gemeinsame Miteinander – oder modern ausgedrückt die "Social Community" der Christen.

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