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  Startseite Ausgabe 11 | 1.0/2.0 – Welche Chancen bietet Web 2.0 und wie sollte Kirche sie nutzen?
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Text: Sven Waske  

Sven Waske, Jahrgang 72, ist Pfarrer, Diplom-Theologe und Master of Studies. Er ist für die Internet-Arbeit bei der EKD in Hannover verantwortlich. Waske absolvierte sein Studium und Vikariat in Bethel, Oxfort und Bonn.

 
   

 

 

 

"Herr Waske, Sie sind Leiter der Online-Redaktion der EKD und verleihen den Internet-Award „WebFish“. Steckt aus Ihrer Sicht die christliche Online-Welt noch in den Kinderschuhen und wie sollte sich Kirche im Web 2.0 präsentieren?"

Der ein oder andere erinnert sich vielleicht noch an die Nachtstunden in christlichen Mailboxnetzen oder an die kirchlichen Angebote im BTX-Dienst der Deutschen Bundespost. Nach diesen Anfängen entstanden vor anderthalb Jahrzehnten erste offizielle kirchliche Internet-Angebote. Auch unter den Mitgliedern der christlichen Kirchen gab es "early adopters" – Menschen, die das World Wide Web für sich entdeckten und mit explizit christlichen Inhalten füllten.

Bereits zum fünfzehnten Mal vergibt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zusammen mit ihrem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) 2011 den Internetpreis "WebFish" für besonders gelungene christliche Internet-Angebote. Eines ist dabei auch in diesem Jahr wieder deutlich geworden: Seit den ersten Schritten im World Wide Web in den neunziger Jahren sind die christlichen Internet-Angebote erwachsen geworden.

Kirchengemeinden, diakonische Einrichtungen und christliche Werke nutzen die Möglichkeiten im Internet heute kreativ und professionell: Das reicht von der klassischen "Visitenkarte" mit aktuellen Basisinformationen einer Pfarrgemeinde oder eines kirchlichen Krankenhauses bis zu so umfassenden Angeboten wie dem des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt": In der Mediathek lassen sich Videos über geförderte Projekte finden. Der Youtube-Kanal lädt zum Weiterverbreiten ein. Junge Menschen bloggen von ihren Erfahrungen beim freiwilligen Dienst im Ausland und potentielle Förderer können direkt über das Online-Spenden-Tool die Arbeit unterstützen. Auch Twitter und Facebook fehlen im Web-2.0-Mix von "Brot für die Welt" natürlich nicht. Die Telefonseelsorge, kirchliche Einrichtungen und Beratungsstellen bieten kompetente Unterstützung per Chat und E-Mail. Online-Andachten und Podcasts widmen sich der Verkündigung.

Doch ganz gleich, ob kirchliche Großeinrichtung, christliche Initiative vor Ort oder bloggende Pastorin: Neben der Frage nach den richtigen "Werkzeugen" aus dem Repertoire des Web 2.0 stehen Verantwortliche in Zeiten von Social Media auch vor anderen Herausforderungen. Es geht nicht nur um die Diskussion des technisch Möglichen, sondern auch um die anthropologische und theologische Reflexion der kirchlichen Aktivitäten im Netz. Kirche und Glauben im Web 2.0 ist dabei nicht absenderorientierte Präsentation, sondern adressatenorientierte Kommunikation.

Die Vielstimmigkeit kirchlicher Kommunikation ist Strategen oft ein Dorn im Auge. Dahinter steht die Erwartung, dass Kirche – wie andere Organisationen auch – "mit einer Stimme" sprechen müsste. Wird im Web 2.0 also die Kommentarfunktion unter der Predigt des Dekans auf dessen Internet-Seite aktiviert oder deaktiviert? Sollen sich Gemeindeglieder mit ihrem Know How über Online-Diskussionsforen an kirchlichen Veränderungsprozessen beteiligen? Wie kritisch darf sich ein Pfarrer bei Facebook über die Personalpolitik seiner Landeskirche äußern?

Kirche unterscheidet sich von anderen Institutionen und Organisationen. Die eine Kirche Jesu Christi ist nicht identisch mit der weltlichen Verfasstheit der Kirchen. Schon die Apostel Paulus und Petrus sprachen nicht mit einer Stimme und in der Bibel kanonisierte die Kirche verschiedene Überlieferungen selbst bei so zentralen Stellen wie den Worten Jesu zur Einsetzung des Abendmahls.

Verantwortliche in den Kirchen müssen das Web 2.0 in ihre Kommunikationsstrategien aufnehmen und in den kommunikationstechnischen Werkzeugkasten integrieren. Daran führt kein Weg mehr vorbei. Und sie müssen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz praktisch bei der Nutzung unterstützen. Diese sind ein unendlicher Schatz für die Kommunikation der christlichen Botschaft im Internet.

Dazu brauchen die Kirchen Bildungsinitiativen, die die Chancen und Risiken der Kommunikation im Web 2.0 und das notwendige Handwerkszeug vermitteln, sowie klare Rahmenbedingungen in Form von "Social Media Guidelines", die die aktive Beteiligung und Orientierung ermöglichen. Zudem ist die Beteiligung am gesamtgesellschaftlichen Diskurs über medienethische Fragen notwendig, um die weiteren Entwicklungen mitzugestalten. So können die Kirchen ihre Chance im Web 2.0 nutzen, die in der Kommunikation der christlichen Botschaft und des darin gründenden Handelns der Kirche liegt.

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