Startseite Ausgabe 04 | Erreicht/Unerreicht – Welche Zielgruppen spricht Kirche heute noch an?
   
 
Text: Johannes Röser
 
Johannes Röser, geboren 1956, Chefredakteur der Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“ (Freiburg im Breisgau). Schwerpunkte: Religion, Theologie, Gesellschaft, Naturwissenschaften, Lateinamerika und Afrika.
 
   
 

„Wie beurteilen Sie die Entwicklung, daß Kommunikation immer deutlicher vom Bild statt vom Wort bestimmt wird?“

Ohne Bilder gibt es keine Kommunikation. Die Frage ist nur, wodurch Bilder erzeugt werden, vor allem die inneren Bilder. Verlassen wir uns weitgehend aufs optische Sehen oder bilden wir sie ebenso durch Erzählen, Hören, Meditieren, Beten, über die Langsamkeit schweigender Wahrnehmung? Es war ein aufregender Prozeß der Hirnentwicklung, daß der Homo sapiens fähig wurde, sich von der puren Unmittelbarkeit der Anschauung zu lösen, daß er fähig wurde zur Abstraktion, zur Tanszendenz - und so zur Kommunikation über das zuvor Nicht-Denkbare: das Heilige, Gott. Der Gipfel der Transzendierung ist für mich die Offenbarung des JHWH-Namens an Mose in abstrakten Buchstaben, in dürren Linien. Die Menschen konnten sich darüber verständigen. Bedeutendste Bilder entwickelten sich also ohne Bild. Aber nicht ohne das Wort. Die wachsende Bedeutung von Bildern und bildgebenden Verfahren bewerte ich positiv. Sie ersetzen ja nicht das Wort, sie beschleunigen das Wort. Denn jedes Bild braucht die erklärende Deutung - in Wissenschaft, Kunst wie Glaube.

Glauben Sie, daß Bilder Sinn stiften können?

Bilder stiften Sinn, oft genug auch Unsinn. Dennoch sind sie in einer unübersichtlichen Welt, in der wir oft fremd neben Fremdem stehen, eine erste Hilfe zur Verständigung, wo uns übersetzende Worte noch fehlen. Über Bilder haben wir teil an Welten, die uns sonst verschlossen blieben.

Warum setzt die Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“ kaum Fotos ein?

Weil unsere Leserinnen und Leser lesen wollen - und lesen können. Sie wollen sich selber ein Urteil bilden über Gott und die Welt - und redlich ein modernes religiöses Leben führen. Sie suchen dazu Anregung, nicht Belehrung. Wörter nehmen weniger gefangen als Bilder. Man hat teil und gibt Anteil am mühsamen Ringen um Verstehen, Nachdenklichkeit, Wahrheit. Worte geben frei, ermöglichen Distanz. So versteht sich „Christ in der Gegenwart“ als Hebamme einer selbstbestimmt lesenden sokratischen Suchbewegung nach Glauben in einem offenen, weiten Horizont. Trotzdem verzichten wir nicht völlig auf Fotos, weil sie Teil unseres Lebens sind. Einmal im Monat haben wir eine Bildbeilage. Ein Foto veröffentlichen wir stets auf der ersten Seite von „Christ in der Gegenwart“, weil sich die Lesegewohnheiten vor allem im jüngeren Publikum gewandelt haben. Das ist der Grund, warum „Christ in der Gegenwart“ im neuen Jahr - im sechzigsten Jahrgang - mit einem freundlicheren Layout erscheinen und in Farbe gedruckt sein wird. Die bisher gesonderte Bildbeilage wird dann einmal im Monat ins Stammblatt integriert, ebenfalls in Farbe.

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