„Wie beurteilen Sie die Entwicklung,dass
Kommunikation immer deutlicher vom Bild statt vom Wort bestimmt
wird? Was heißt das für Ihre Arbeit? Glauben Sie, dass
Bilder Sinn stiften können?“
„Der Pinsel ist dazu da, die Dinge
vor dem Chaos zu retten“
Tao Chi, chinesischer Landschaftsmaler aus dem
17. Jahrhundert
Die Malerei beschäftigt sich mit dem
Sichtbaren. Die Ergebnisse nennen wir, ob gegenständlich oder
ungegenständlich und unabhängig was zur Anschauung gelangt,
Bilder. Im Gegensatz zur Fotografie oder zum Filmemachen kommt bei
der Malerei der Aspekt des Werdens hinzu, d.h. die Gestaltung und
Entwicklung vom weißen Hintergrund ausgehend bis hin zur subjektiv
bestimmten, auch künstlerisch genannten, Fertigstellung.
Vor diesem Hintergrund bezieht die Malerei
unabhängig von Handarbeit und Talent, einen Teil ihrer Faszination.
Das Bild ist die Summe aller zuvor erbrachten „Leistungen“,
d.h. in jedem zur Angesicht gelangenden Bild ist die Erfahrung des
Werdens und des Beobachtens mit subsumiert und beeinflusst auf komplexe
Art und Weise die Lesbarkeit, Präsenz und Strahlkraft des Bildes.
Ein komplexes Wahrnehmungsverfahren auf höchst evolutionärem
Niveau liegt dem Entschlüsselungsprozess der Bilddaten zugrunde.
Diese kulturelle Entwicklung scheint nicht irreversibel!
Heute wimmelt es von Bildern. In keiner Epoche
der Menschheit wurde so viel abgebildet und betrachtet, wie in der
des 21. Jahrhunderts. Der Zugriff auf Bilder ist zu jeder Tag- und
Nachtzeit möglich. Im Technorhythmus werden in allen Himmelsrichtungen
auf unserem Planeten (und hinaus) Bildinformationen bis zur Unkenntlichkeit
beschleunigt. Im Mittelpunkt steht die Bild-verarbeitung, -manipulation,
-vermittlung, -verbreitung und der Bildhandel.
Die technologischen Innovationen machen es
leicht, das Erscheinende vom Existierenden zu trennen. Was wir gewahr
werden sind Trugbilder. Das Existierende verschwindet. Das Bild,
einst Gegenstand der kontemplativen Betrachtung und ein Zeugnis
von Anwesenheit ist im Begriff diese Bedeutung zu verlieren. Es
muss sich dem Bedürfnis nach dem Flüchtigen und dem Unverbindlichen
unterwerfen, es muss ein Passepartout für die Botschaften der
Werbeindustrie sein.
Das Anschauen von Bildern ist Teil eines
sinnentleerten Spektakels. Ein Spektakel aus leeren Masken und ungetragenen
Kleidern. Die Geschwindigkeit verdichtet die Bildräume zu einer
einzigen austauschbaren Schleifspur ohne Identität und Notwendigkeit.
Heute, gestern und morgen schrumpfen zu einer Kakophonie ohne Ort
zusammen.
Das was wir Kunst nennen und mit Kunstszene
verwechseln ist von der gleichen Ortlosigkeit angesprungen und scheint
im Wirbel des Spektakels zu verdampfen. Wenn wir uns einmal vergegenwärtigen
aus welchem Impuls heraus die Sehnsucht nach Bildern entsteht, dann
kommen wir der Tragödie, die unserem aktuellen Umgang mit Bildern
ausmacht, nahe.
Der Mensch sehnt sich nach Dauer und lehnt
sich gegen das tägliche Verschwinden des Sichtbaren auf. Hieraus
entsteht der Impuls zum Bilden und zum Malen. Das Festhalten und
die Verkündung „ich habe dies gesehen“ stehen im
Mittelpunkt eines sysiphusähnlichen Dramas. Das Wissen um die
Vergänglichkeit unseres Seins ist der Lohn und führt zur
Entwicklung eines hohen Bewusstseins, das die sensibilisierte Wahrnehmung
für die andere große Verkündung des Carpe Diem (nutze
den Tag) mit einschließt.
„Der Pinsel“ schrieb Tao Chi,
der große chinesische Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts
„ist dazu da, die Dinge vor dem Chaos zu retten“. Als
Anker in der Flut des sich ewig Wandelnden und auch als Anker in
der Bilder- und Informationsflut unseres Jahrhunderts wird das gemalte
Bild, wenn es in der Lage ist wieder das Existierende zu malen,
nicht nur ein Akt des Widerstandes sein, der Hoffnung verbreitet,
sondern auch mit dieser Hinwendung sinnstiftend sein.
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