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Text: Francesca D'Amicis
 

Prof. Francesca D'Amicis, Jahrgang 1966, wurde geboren in Bozen. Nach dem Abitur in Bozen studierte sie in Mailand zunächst Englisch und Deutsch. Nach dem Diplom nahm sie an der Universität Mailand ein Studium der Politikwissenschaft auf.

 
   
 

„Wie beurteilen Sie die Entwicklung, dass Kommunikation immer deutlicher vom Bild statt vom Wort bestimmt wird?“

Um Gottes Willen, keine „talking heads“! Das galt viele Jahre als oft unausgesprochene Regel der Redaktionen. Zumindest, wenn das Publikum, das man mit „Dokumentationen“ ansprechen wollte, Zuschauer des Massenmediums Fernsehens war und nicht Festival- oder Kinobesucher. Man wolle immer mehr sehen, und immer weniger hören, wurden Dokumentarautoren von
Fernseh-Redakteuren belehrt.

Diesem Bedürfnis kommt seit ein paar Jahren auch die moderne Technologie entgegen. Sie erlaubt es, „Re-Produktion“ von Bildern zu immer günstigeren Kosten - vor allem, wenn man bereit ist, bei der Qualität der Bilder Abstriche zu manchen – zu erstellen und durch immer feinere Special Effects Bilder gänzlich zu erfinden. Wenn Bilder vormals oft „Bildteppich“ für den Text waren, sind sie heute immer öfter der „Text“ selbst.

Abgesehen vom der Sparte Reportage, wo klassischerweise die Kamera die Realität „sehen“ lassen will - zumindest jene Realität, die Kameramann und Autor am Drehort wahrnehmen, und jene Realität, die im Schnitt ausgewählt und rekombinert wird - hat die Bild-Gläubigkeit einen Wandel im Dokumentarbereich erzwungen.

Während der Autor früher gerne große Teile seiner Aussage den Interviews mit Experten, Zeitzeugen, Betroffenen, Menschen überlassen hat (bisweilen ohne all zu viel Rücksicht auf die Verständlichkeit zu nehmen), so werden im Zeitalter des Iconic Turn Autoren zu einer phantasievolleren Auseinandersetzung mit der Dramaturgie gezwungen. Vor allem die Darstellung von eher abstrakten Themen wird zur Hauptbeschäftigung: Welche Geschichten „verbildlichen“ das Thema, welche thematischen Metaphern lassen sich zu Bildern und Szenen machen? Welche Situationen oder Bilder funktionieren überhaupt als visuelle Metapher?

So gewinnt der Drehort eine erweiterte Bedeutung. Vermieden werden die klassischen Locations für Interviews. Bücherregal heißt: Achtung, unser Interviewpartner ist ein Intellektueller (oder gibt vor, einer zu sein - was immer noch die aussagekräftigere Variante wäre). Weißer Kittel heißt: Achtung, Arzt oder Wissenschaftler! Mehr nicht.

Zusätzlich zu den herkömmlichen Fragen – Wer ist der Experte oder ein interessanter Zeuge auf dem Gebiet? Was will ich von ihm wissen? – entstehen für den Autoren neue Aufgaben: Wo drehe ich das Interview? Die Drehorte sind plötzlich nicht unbedingt jene, an denen sich der Alltag der Film-Protagonisten abspielt, sondern Orte, die einen Aspekt des Themas symbolisieren, stilisieren.

Besonders wichtig wird dementsprechend die technische Umsetzung der Aufnahmen: Welche Kamera kann bestimmte Eigenschaften des Bildes am besten hervorheben, mit welcher Optik und mit welchem Licht? Natürlich ist der Iconic Turn nur dann eine Ressource, wenn Bilder den Autor zur Essenz des Themas zwingen: Ansonsten sind oberflächlich emotional starke Bilder oder schöne, oder wunderschöne Bilder einfach nur noch Bilderüberflut.

Was der puristische Dokumentarfilmer klassischen Zuschnitts zu solchen beinahe didaktischen Überlegungen sagt, ist eine ganz andere Frage. Denn die Inszenierung der „talking heads“ (und anderer Film-Elemente) entrücken die Dokumentation ein weiteres Stück von ihren Ursprüngen.

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