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Text: Michael Behrent
Foto: pixelquelle.de |
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Michael Behrent
ist PR-Fachmann und Autor des Buches „Campaigning – Werbung
in den Arenen der Öffentlichkeit“ |
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Foto:
photocase.de „Wer
die Medien als Kanzel versteht, hat die Medienarena nicht wirklich
verstanden.“ |
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Wir sind Papst! Wir sind Klinsmann!
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Und was kommt dann? Wo ist der
Ort der Kirche in der Medienarena?
Millionen in Rom, Millionen auf den
Fanmeilen, Millionen (Milliarden!) vor den Fernsehern,
Millionen gespendet. Bilder, Sätze, Informationen, Dokumente,
Kommentare, Meinungen. Blut, Schweiß, Tränen. Umarmungen,
Küsse, Jubel, Trauer, ...
Eine einfache Regel des Kino- und Showgeschäftes
lautet „Bigger than life“. Nur was groß, überwältigend,
einmalig ist, weckt das Interesse der Massen. Eine einfache Regel
des Journalismus ist „Nähe“. Nur was einen direkten
Bezug zum Leser/Zuschauer hat, weckt sein Interesse.
„Bringe Größe in das Alltagsleben
der Menschen“ lautet die Erfolgsformel nach der vollzogenen
Fusion von Journalismus und Showgeschäft. Deutsche Bank, Tsunami,
Papst, Fußball – sicher ist, dass nach der gegenwärtigen
Erregungskurve die nächste folgt. Sicher ist, dass sich immer
neue Ereignisse finden, auf die sich die Erregung aufbauen lässt.
Sicher ist aber auch, dass für „Erfolg“ und „Misserfolg“
– also über Beachtung und Missachtung – allein
die Erregungsqualität zählt. Und nicht die Inhalte, Absichten,
„reale“ Bedeutung oder Relevanz.
* * * * *
Die Öffentlichkeit wird zur
Medienarena. „Medienarena“ ist ein bildhafter
Begriff. Seine analytischen Qualitäten sind begrenzt. Seine
Überzeugungskraft liegt gerade darin, dass er suggestiv klar
macht, welch spezifisch circensischen Charakter „Öffentlichkeit“
heute oft annimmt.
„Öffentlichkeit“ hatte immer
schon einen eher schlechten Klang bei den herrschenden Eliten. „Öffentlichkeit“
wird demnach gebildet aus Leuten, die kein Wissen, kein Verständnis,
keine Ahnung, keine Verantwortung haben. Zugleich hatte „Öffentlichkeit“
meist einen guten Klang bei den Vertretern der Unteren, bei den
Aufklärern, bei den Verteidigern der Gedemütigten, bei
den Revolutionären. Beide Perspektiven wiesen der „Öffentlichkeit“
ihren Rang in der gesellschaftlichen Sinnstiftung zu – entweder
negativ – Öffentlichkeit zerstört Sinn, oder positiv
– Öffentlichkeit schafft Sinn.
Aber was ist heute? Heute, wo jeder nach
Andy Warhols Bonmot eine viertel Stunde berühmt sein kann?
Themen und Ereignisse sind den Gesetzen der Medienökonomie
unterworfen. Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit bestimmt alles.
Daher schaffen die Medien für bestimmte Themen und Ereignisse
„Arenen“, in denen sie den Ball zum laufen bringen.
Fernsehen, Tageszeitung, Internet – ob privat oder öffentlich-rechtlich,
alle machen mit. So schaffen sie gemeinsam Aufmerksamkeit, ergo
vergrößern sie das Publikum, ergo die Werbeeinnahmen.
Das fördert die Tendenz zur Verflachung. Aber der Wettbewerb
der Themen und Ereignisse zwingt das Publikum zugleich zur Entwicklung
seiner eigenen Urteilskraft. Hier liegt die Chance.
* * * * *
Aber wie macht das alles noch Sinn?
Denn auch die Metakommunikation gehört zu diesem Spiel: Sind
wir alle emphatischer und hilfreicher geworden? So fragten die Kommentatoren
der Qualitätsmedien nach der Tsunami-Spenden-Welle. Sind wir
alle gläubiger geworden, nach Tod und Wahl des Papstes? Sind
wir patriotischer geworden, während der Weltmeisterschaft?
Und so werden die Feuilletons weiter fragen, ohne letzte Antworten
zu geben.
Wer sich bei der Bewertung der Ereignisse
im wesentlichen auf die Beobachtung der Medien beschränkt,
wird diese Fragen nicht beantworten können. Wer die Medien
als Kanzel versteht, hat die Medienarena nicht wirklich verstanden.
Denn der „Sinn“ dieser Form der Kommunikation entsteht
nicht durch Verkündigung, sondern durch Beteiligung. Die Medien
sind Bühnen (und keine Kanzeln), die grundsätzlich jedem
offen stehen. Jeder, der eine dieser Bühnen betritt, muss sich
mit allen anderen, die die Bühnen betreten haben und betreten
werden, vergleichen lassen. Es ist effektiv nicht möglich,
dem Publikum etwas aufzuzwingen. Es ist aber effektiv möglich,
das Publikum zu interessieren – wenn ich als Akteur mich auf
das Publikum einlasse, es ernst nehme. Dann entsteht etwas Sinnvolles.
Schon der Begriff des „Publikums“
verleitet zu Fehldeutungen. Das Publikum vor den Bildschirmen, die
Menschen, die zu den Großevents strömen, sind nicht per
se Masse, sondern viele Einzelne, die, wenn es gut geht, eine Gemeinschaft
bilden, wenn es schlecht geht als Masse agieren. Aber zunächst
gibt es ein positives Potential. Sie kommen freiwillig. Sie zeigen
in ihrem Verhalten eine offene, positive Grundhaltung. Sie wissen,
dass sie auch wieder heimgehen werden, und dass dort das Leben weiter
geht. Wer mit dem Publikum kommunizieren will, muss es nicht als
Masse ansprechen, sondern als Gemeinschaft von Einzelnen. Er muss
beide Seiten im Besucher ansprechen: den Wunsch nach Außergewöhnlichem
und das Wissen um die Normalität. So entsteht Angemessenheit.
* * * * *
Die richtige Medienstrategie
ist daher eine Kommunikationsstrategie, die nicht nur die Medien
im Blick hat. Wer Sinn, Bedeutung, Nachhaltigkeit schaffen will,
darf nicht allein die Medienpräsenz im Sinn haben. Er muss
die Medien instrumentalisieren: Als Medium für die Kommunikation
mit anderen Menschen. Alles andere wird zum reinen Medienevent,
das in Vergessenheit gerät, bzw. dessen Eventcharakter in den
Vordergrund tritt.
So wirkt etwa die überraschende
Publizität der Institution des Papstes durchaus ambivalent.
Sie deckt Stärke der zentralen Symbole der katholischen Kirche
auf, aber auch ihre Schwäche im realen Leben. Denn wie geht
es weiter, wenn der Papst beerdigt, gewählt, der Jugendtag
beendet ist? Wer entwickelt die Beziehung zu Themen, Institutionen
und Personen im Alltag weiter?
Angesichts der unbestreitbaren Erfolge
und gesteigerten Aufmerksamkeit in den Medien dürfen sich die
Kirchen nicht täuschen: ihrer Kommunikation fehlt der Unterbau,
um die Erfolge nachhaltig zu machen. Von der (inneren) Beteiligung
der Menschen an einem Medienevent zur realen Beteiligung am kirchlichen
Leben ist es ein weiter Weg. Die Verknüpfung des Geschehens
in den Medienarenen mit der realen Erfahrung von Kirche vor Ort
kann nicht durch den Papst erfolgen. Um diese Verknüpfung zu
erreichen, muss die Kirche und ihre Repräsentanten zunächst
wissen, was sie von den Medien und dem Geschehen in den Medienarenen
hält. Zur Zeit scheint sie das Ganze aber eher mit Unwohlsein
zu betrachten.
* * * * *
Von der „Kirche im Dorf“
zur „Lindenstrasse“ führte
der Weg die Menschen im Fernsehzeitalter. Die Kirche muss zur Kenntnis
nehmen, dass die Medienthemen und Ereignisse die Themen sind, mit
denen sich die Menschen auseinandersetzen. Hier findet für
viele Menschen Orientierung statt. Kirchliche Kommunikation müsste
so gesehen nicht nur Seelsorge in Hinblick auf das konkrete Gemeindeleben
vor Ort, sondern auch permanente Medienkritik sein.
Doch um dazu fähig zu sein, müsste
die Kirche sich mit den medialen Inhalten auseinandersetzen und
sich in die Medien begeben, mit eigenen Themen und Personen. Dabei
wird sie dem zentralen Dilemma in der Medienarena nicht entgehen:
Hier genieße ich im Erfolgsfall zwar die Aufmerksamkeit, aber
ich habe nicht die Kontrolle, es geschieht etwas mit mir, das ich
nicht beliebig beeinflussen kann.
Das Bedürfnis nach Gemeindebildung
ist jedenfalls unabweisbar: Wir sind Papst, wir sind Deutschland,
wir sind Weltmeister – so sicher wie das Amen in der Kirche
werden wir alle demnächst zu einem weiteren Bekenntnis aufgefordert.
Es ist zu befürchten, dass nach all den Wohlfühlthemen
ein stark negatives Ereignis unsere Aufmerksamkeit beanspruchen
wird. Es gibt ein Gefühl, dass es nicht nur gut laufen kann.
Der Schrecken wird uns heimsuchen. Die Kirchen können versuchen,
in beiden Fällen dabei zu sein - wenn es gut läuft und
wenn es schlecht läuft. Sie müssen nur bereit sind, die
Ungewissheiten in der Medienarena zu akzeptieren. Der Rest ist Handwerk.
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