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Text: Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki  

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, geboren 1956 in Köln, ist seit 2011 Erzbischof von Berlin und Metropolit der Berliner Kirchenprovinz. Nach seinem Abitur am Städtischen Hölderlin-Gymnasium in Köln-Mülheim studierte er von 1978 bis 1983 Katholische Theologie und Philosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, unter anderem bei Karl Lehmann. Am 14. Juni 1985 empfing er durch Erzbischof Joseph Kardinal Höffner im Kölner Dom die Priesterweihe. Papst Johannes Paul II. verlieh ihm am 21. November 1999 den Päpstlichen Ehrentitel Kaplan Seiner Heiligkeit.


 
   
 

 

 

 

„Herr Erzbischof, in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung fordern Sie eine „verständlichere Sprache für Sexualität“ in der katholischen Kirche. Die Umfrage von Papst Franziskus zu den Themen Ehe, Familie und Sexualität hat eine erhebliche Kluft zwischen Kirche und Realität vieler Katholiken festgestellt. Wie soll diese Kluft überwunden werden? Woran muss gearbeitet werden, damit Sprache und Botschaft tatsächlich verstanden werden?“

Ich widerspreche Ihrer Formulierung von einer „Kluft zwischen Kirche und Realität vieler Katholiken“ ganz entschieden. Die Kirche ist kein Luftschloss, kein Wolkenkuckucksheim. So wie Jesus Christus Mensch geworden ist, hat sich auch seine Kirche in uns „inkarniert“, ist sie Realität geworden. Auch die von Papst Franziskus angeregte Umfrage und die gegebenen Antworten sind Kirche, sind kirchliche Wirklichkeit. Und dadurch ist etwas anderes wieder deutlich geworden: Es gibt eine Abweichung zwischen dem christlichen oder sagen wir christ-katholischen Ideal und der gelebten Wirklichkeit. Eine Abweichung, die jede und jeder erlebt, das geht mir als zölibatär lebendem Menschen genauso wie all denen, die in ihren Antworten auf die Umfragen reagiert haben. Diese Abweichung von Ideal und Wirklichkeit wird tatsächlich als eine Kluft beschrieben, die vielen zu schaffen macht, eine Kluft, die ich ernst nehme.

Um in Ihrem Bild zu bleiben: diese Kluft können wir nicht zuschütten. Als erstes müssen wir sie immer wieder neu wahrnehmen, schon allein, um nicht hineinzufallen. Und dann dürfen wir sie tatsächlich nicht zuschütten, indem wir einfach die Wirklichkeit zum Ideal erheben und das Ideal entsprechend anpassen. Und schließlich dürfen wir auch nicht so tun, als sei dieses Ideal immer und ohne weiteres zu erreichen.
Was wir aber tun können, ist Brücken bauen. Ich bin davon überzeugt, dass die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit überbrückt werden kann. Und wir sollten mehrere Brücken bauen:

Eine Brücke ist Werbung: Es gibt eine große Sehnsucht nach Dauer, nach Ergänzung im Andern, eine Sehnsucht nach vorbehaltloser Hingabe bei aller Angst vor Enttäuschung.

Eine Brücke ist Ernsthaftigkeit: Auch wenn Unverbindlichkeit die große Mode zu sein scheint, steht Verlässlichkeit hoch im Kurs.

Und eine weitere Brücke ist Barmherzigkeit: Wir haben eine Moral als katholische Kirche, für die wir auch einstehen, aber wir sind keine Moralanstalt. Wir sind als Kirche Jesu Christi eine Kirche der Sünder aber wir haben kein öffentliches Sündenbekenntnis in unseren Gottesdiensten.

An diesen Brücken müssen wir alle gemeinsam bauen. Ich weiß, dass ich als Bischof dabei eine etwas andere Rolle habe als der sog. „einfache Gläubige“ und auch anders als der Pontifex Maximus. Damit auch alle sich aufgefordert wissen, an diesen Brücken mit zubauen, ist es für uns Bischöfe wichtig, zuzuhören. Nicht, um dann „dem Volk“ nach dem Mund zu reden, aber vielleicht doch wieder mehr „aufs Maul zu schauen“: Männer und Frauen, die in einer Familie leben, die Kindern das Leben geschenkt haben und sie im christlichen Glauben erziehen, ihren Glauben leben und feiern, haben etwas beizutragen, wenn es um Sexualität, um Beziehungen, um Ehe und Familie geht. Und hier höre ich nicht nur Kritik oder Hinweise auf Versäumnisse.

Martin Luthers Maxime bei der Bibel-Übersetzung hat schließlich auch nicht zu einer Verfälschung oder Verflachung der biblischen Botschaft geführt. Im Gegenteil: er hat sie in seiner Zeit zum ersten Mal auf Deutsch verständlich gemacht.

 

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