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Im Interview:
Ludger Burmann
Bild: © 31M

 

 
   

 

Ludger Burmann, geboren 1956 in Werne, ist Schauspieler, Kabarettist, Imageberater und Coach. Von 1984 bis 1989 war er festes Mitglied im Ensemble des Dortmunder Stadttheaters. Seit 1989 spielte er in zahlreichen Fernsehserien und wirkte bei über 250 Hörspielen mit. Als Coach bietet er u.a. Vortragsseminare für Führungs- und Fachkräfte, aber auch für Pastoren, Priester und Kirchenangehörige an. Mehr Infos unter www.ludger-burmann.de

 
   

 

 

Kirche/Deutsch – Deutsch/Kirche:
Wenn Kirchenleute in Rätseln sprechen.

Telefoninterview mit Ludger Burmann

Herr Burmann, Sie sind Schauspieler, Coach und Imageberater und bieten u.a. Seminare für Kirchenleute an. Wie sehen speziell diese Seminare aus? Was machen Sie inhaltlich?

Die Seminare sind sehr unterschiedlich. Wenn ich mit kirchlichen Angestellten arbeite, dann erzähle ich erst einmal, was überhaupt „Lesen“ bedeutet. Es gibt einige handwerkliche Dinge, die viele nicht wissen, zum Beispiel wie Interpunktion funktioniert und wie man sie liest. Dazu zählt auch, wie ein Punkt oder ein Komma klingt. Was ist ein Fragezeichen? Wie lese ich ein Ausrufezeichen? Auch wichtig ist Sprech- und Pausentechnik, außerdem die richtige Atmung. Evangelien z.B. sind schwere Texte und durchaus mit Klassikern vergleichbar - da muss man Pausen machen und nicht einfach „durchrauschen“. Wenn die handwerklichen, grundsätzlichen Dinge geklärt sind und wir einige Übungen dazu gemacht haben, dann geht es darum, dass der Text inhaltlich verständlicher gemacht wird. Dafür suchen wir Textpassagen heraus, die man unbedingt betonen muss. All das geschieht unter der Prämisse: Das Publikum hört den Text nur einmal!


Wie groß ist der Bedarf, wie stark die Nachfrage? Wer bucht Sie? Und worin wollen die meisten gecoacht werden? Was sind die größten Probleme, die geäußert werden?

Die Nachfrage ist groß, z.B. waren fast alle Lektoren aus dem Bereich Olpe schon da. Der Bedarf besteht meiner Meinung nach überall. Aber die Beratungsresistenz und das Erkennen der Problematik stehen vielen im Weg. Einmal habe ich auf eine Anfrage meinerseits die Antwort bekommen: „Wir brauchen kein Training, das macht bei uns schon der Organist.“ Da weiß man sofort, wo der Stellenwert ist. Diese Priester bekommen ihre Texte dann kurz vor der Messe, vielleicht nur ein paar Minuten vorher. Aber man muss sich vorbereiten, schon Tage vorher üben, den Text jeden Tag 6 oder 7 Mal lesen, sonst kann da nichts bei rauskommen. Diese schweren Texte kann man nicht mal eben so runterrattern. Dementsprechend ist dann das Ergebnis – der rote Faden fehlt, wenn man sich da durchquält. Meist geht es also wirklich um grundsätzliche Dinge, z.B. um die Frage „Wie lese ich?“ oder „Wie wende ich Lesetechnik an?“. Das können 99% der Bundesbürger nicht, ist aber irrsinnig wichtig.  Dann führe ich Hörbücher vor, um zu zeigen, wie man klasse liest. Das sind z.B. Hannelore Hoger oder Otto Sander. Die meisten begreifen dann sofort, um was es geht und sagen oft „So habe ich das noch nie gesehen.“.


Wie ist das Feedback zu Ihren Seminaren?

Die, die es gemacht haben, finden es toll. Leider ist ja die Beratungsresistenz immer noch sehr hoch. Denn wer geht schon nach einem Gottesdienst zum Priester und sagt „Hören Sie mal, Ihre Predigt, die war wohl leider nix!“. Ein Freund von mir ist z.B. evangelischer Pfarrer. Er hat seinen Lektoren angeboten, ein Seminar zu buchen. Diese sahen jedoch keinen Bedarf, da sie von sich selbst sehr überzeugt waren. Die fragen sich dann „Warum sollte ich mich coachen lassen? Ich kann doch lesen!“. Aber die Investition lohnt sich.

Ich konnte jedoch beobachten, dass die Gemeinden in Bayern und Baden-Württemberg offener für diese Problematik sind. Hier oben bei uns in NRW ist das ganz schwierig. Ich habe mehrmals versucht, den WDR mit seiner Morgenandacht zu kontaktieren. Denn was die manchmal abliefern, geht meiner Meinung nach nicht. Aber da ist keine Einsicht.


Was glauben Sie, woran das liegen könnte?

Das liegt wie gesagt an der fehlenden Resonanz. Wenn man in der freien Wirtschaft ist und einen Vortag hält, gibt es sofort ein kritisches Feedback. Aber die Leute trauen sich nicht, ihre Gemeinde oder den Gottesdienst zu kritisieren, eben weil es dieses Angebot nicht gibt. Ergebnis ist: die Kirchen werden immer leerer. Aber zum Glück kommt langsam eine jüngere Generation, die für diese Trainings offen ist und die auch sieht, dass es ein Problem gibt.

Sie selbst sind Schauspieler. Was können Kirchenleute von Schauspielern lernen? Geht es in Ihren Seminaren auch um Mimik und Gestik?

Mir hat ein erboster Priester im Seminar mal gesagt, er wolle nicht Schauspieler werden. Aber Priester, Kirchenleute und Diakone haben mit Schauspielern eines gemeinsam: das Wort. Und da erwarte ich eine professionelle Einstellung. Daher mache ich Predigt-Trainings. Dort geht es um Grundlagen der Körpersprache, Ausstrahlung und Präsentation vor einer Gruppe. Mimik und Gestik werden thematisiert, aber entscheidend ist die Authentizität. Also: nichts spielen und nichts machen, was man nicht ist. In diesem Training soll die Persönlichkeit entdeckt werden, das ist das Wichtigste. Die Glaubwürdigkeit eines Diakons oder Priesters ist das A und O. Egal, wie jemand vor sich hinstammelt, er muss authentisch bleiben. Es ist eben nicht jedem gegeben, fröhlich und locker vor einem Publikum sprechen zu können. Aber genau das üben wir. Wenn jemand nicht gut predigen kann, dann ist eine gut gelesene Predigt immer noch besser, als eine unsichere freie Predigt. Es gibt Techniken, damit sich Leute von einem gelesenen Text angesprochen fühlen. D.h. ich muss z.B. Blickkontakt halten und, was man nicht unterschätzen darf, eine einfache Sprache finden: keine Fremdwörter und immer inhaltliche Bezüge aus den Evangelien in die Gegenwart. Einige Gottesdienste sind an Langweile nicht zu überbieten und das muss sich zukünftig ändern. Das große Problem ist nur, dass viele Gemeindemitglieder kein Feedback geben. Daher ist die Problematik den meisten Lektoren oder Priestern gar nicht bewusst. Das ist meiner Meinung nach einer der Punkte, warum Kirche für viele so unattraktiv ist – sie fühlen sich einfach nicht angesprochen. Dabei sind Bibeltexte an sich sehr spannend.

Was sind typische Fehler, die immer wieder gemacht werden?

Das schwierigste Satzzeichen ist der Punkt. Man sagt ja auch oft „Auf den Punkt kommen“ und das schaffen nur ganz wenige. Die meisten lesen anstatt eines Punktes fast immer ein Komma. Auch schwierig sind viele Nebensätze, die durch Kommata getrennt werden, damit haben viele Probleme. Aber ein Satzzeichen hat ja einen Sinn, daher muss man sie auch extrem genau lesen, damit dieser Sinn nicht verloren geht. Wichtig ist auch, dass man eine einigermaßen gute Stimme hat und dass man Pausen einhält. Viele haben Angst vor Pausen, weil dann der Eindruck entsteht, man wüsste nicht mehr weiter. Aber das stimmt nicht – man muss Pausen machen, damit der Gedanke des Textes ankommt und der Inhalt sich erst einmal setzt. Nur so bleibt das Publikum am Ball, es muss Zeit haben, über das Gesagte nachzudenken.

Warum ist Ihnen das Coachen von Kirchenleuten wichtig? Haben Sie ein persönliches Anliegen?

Ich sag’s mal so: zu der ganzen Sache bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Vor ca. 15 Jahren habe ich mal ein Seminar für Lehrer entwickelt, da meine Kinder in der Schule Kafka gelesen haben. Und das war eine Katastrophe. Da habe ich gesagt „Das geht so nicht!“ und dann eben dieses Training angeboten. Die Rückmeldung war super, mir wurde empfohlen, meine Ideen auch an andere weiterzugeben. Und dann habe ich das Angebot einfach an Priesterseminare geschickt. Mein erstes Training hatte ich in Rottenburg mit katholischen Priestern und dann gab es allmählich den berühmten Schneeballeffekt. Außerdem habe ich viel mit Glauben zu tun. Als ich 14 war, wollte ich Priester werden. Aber als dann die ersten Mädchen kamen, habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist. Wenn es kein Zölibat gegeben hätte, wäre ich vielleicht noch einer geworden.

Aber wenn ich durchweg ungläubig wäre, würde ich das Ganze ja nicht tun. Ich find’s einfach schade, was mit der Kirche momentan passiert – gerade auch mit den Texten, weil die einfach toll sind. Ich liebe Literatur und Sprache und wenn ich sehe, was z.B. auf einer Kinderkommunion gelesen wird, dann bekomme ich die Krise. Dann darf man sich auch nicht wundern, wenn niemand mehr kommt.

Sollte man Bibeltexte also in einfachere Sprache übersetzen?

Nein, das liegt nur an der Betonung. Sie können diese Texte so lesen, dass das Publikum denkt, es sei Umgangssprache. Natürlich müssen sie das lernen, wir können ja nicht einfach eine neue Bibelübersetzung machen. Schauspieler üben Sprache Jahre lang, das ist ein permanenter und langwieriger Prozess, es ist wichtig, dass man Texte übt. Man kann Aufmerksamkeit nur generieren, wenn man spannend und fachlich qualifiziert vorträgt.

Haben Sie schon erste Langzeitergebnisse? Wie haben sich die Gemeinden, die Sie gecoacht haben, entwickelt?

Ich biete die Trainings schon seit fast 15 Jahren an und das Feedback ist durchweg positiv. Das zeigt sich auch darin, dass ich Wiederholungs- oder Vertiefungsseminare mache. Oft sind Leute dabei, die schon 2 oder 3 Mal daran teilgenommen haben. In Olpe z.B. habe ich schon das dritte Folgeseminar gemacht. Das ist dann auch kein stures Lesen. Wir machen zum Auflockern viele Spiele und Kennenlern-Übungen und haben unglaublich viel Spaß dabei.

Wie empfinden Sie allgemein die momentane Kommunikation der Kirche, besonders die Öffentlichkeitsarbeit?

Das muss besser werden. Die Kirche muss sehen, wo die Bedürfnisse der Menschen sind, sie muss sich fragen, wie man sie abholen kann. Das erreicht man nicht, indem man predigt „Gott liebt euch!“. Man muss schon gesellschaftliche Problematiken ansprechen, zum Beispiel die Armutsgrenze. Wie sagt man so schön „Da, wo es den Leuten dreckig geht, da glauben sie besser.“, gucken Sie ins gläubige Spanien oder Italien. Wenn es den Leuten gut geht, brauchen sie oft den Glauben nicht mehr. Aber da muss man ihnen dann sagen „Obwohl es euch gut geht, ist Religion ein wichtiger Faktor eures Lebens!“. Kirche sollte zeigen, welche Vorteile man hat, wenn man glaubt. Was bringt mir ein Gespräch mit Gott, mit der Gemeinde, mit dem Priester oder mit meinen Nachbarn? Ich denke da z.B. an Empathie und wie wichtig sie ist.

Was glauben Sie, wovor haben Kirchenleute Angst, wenn es um Öffentlichkeitsarbeit geht? Warum fällt es vielen so schwer, Stellung zu beziehen und ihre eigene Meinung zu äußern?

Vielen fällt es schwer, zu einigen Themen einfach zu stehen. Z.B. war der Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen skandalös, das geht gar nicht. Man muss sich auch mit unangenehmen Themen auseinandersetzen. Da fällt mir auch die Position der Frauen in der Kirche ein. Man muss sich überlegen, was Frauen in der Kirche schaffen könnten. Kirchen werden auch deshalb immer leerer, weil viele Frauen sich einfach nicht mehr angesprochen fühlen. Das ist komplett an der Lebensrealität vorbei. Soziale Themen sind meiner Meinung nach wichtiger, als spirituelle. Denn Kirchenkritische sehen sofort, wenn da etwas nicht stimmt und unter den Teppich gekehrt wird.

Viele sagen, Kirche sollte nicht politisch sein. Das sehe ich ganz anders! Der Gott in der Bibel war politisch, also kann und muss Kirche auch politisch sein, sie muss sich einmischen. Priester, Pfarrer und Diakone müssen ihre Meinung sagen, sie müssen sagen, was schief läuft. Dann hat man in der Gemeinde einen neuen Diskussionspunkt. Kirche muss Position beziehen, sie ist ein Teil der Gesellschaft und diese besteht eben auch aus Politik. Da mag es dann Priester geben, die liberaler sind als andere. Aber genau das macht es doch so spannend. Ich habe ja Hoffnung in unseren neuen Papst. Ich glaube, dass er endlich ein bisschen mehr Druck macht.

 

 

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