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Text: Ingo Brüggenjürgen

 

Ingo Brüggenjürgen, geboren 1962 in Rheda-Wiedenbrück, ist Theologe, Publizist und seit über 13 Jahren Chefredakteur von domradio.de. Er absolvierte sein Diplom-Theologiestudium und Magister-Publizistikstudium an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. 1989 leistete er Zivildienst und war Medienreferent im Referat Medienpädagogik im Erzbistum Köln. Ab 1990 leitete er die Diözesanen Radiowerkstatt des Katholischen Bildungswerkes des Erzbistums Köln. Seit 1994 ist er auch Privatfunk-Beauftragter des Erzbistums Köln. Von 1995 bis 2000 war er Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für den Privatfernsehsender RTL Television, Dozent für Kommunikation am Erzbischöflichen Priesterseminar und Diakonen Institut.

 
   
 

 

 

 

„Herr Brüggenjürgen, welche Zukunft hat auditive Kommunikation angesichts der Visualisierung von Online-Medien? Wie kann die Vermittlung religiöser Inhalte zukunftsfähig umgesetzt werden?“

Hört! Hört!

Der Glaube kommt, zumindest wenn man der Bibel glauben darf, ganz eindeutig vom Hören. „Fides ex auditu“ (Anm. d. Red.: „Der Glaube kommt aus der Predigt“), so steht es u.a. im Römerbrief. Wer Ohren hat zu hören, der höre – ganz egal, ob Radio Vatikan, Radio Paradiso oder domradio.de, dann wird sich der rechte Glaube schon einstellen. Aber ist das wirklich so einfach? Schon der ungläubige Thomas wollte die Botschaft vom Auferstandenen lieber mit eigenen Augen sehen und fühlen. Und auch in der heutigen Informations- und Medienwelt wollen und können wir auf die direkte Kommunikation nicht verzichten. Das persönliche Glaubenszeugnis, die Berührung durch den Nächsten ist durch gar kein noch so modernes Kommunikationsmittel zu ersetzen. Das ist wie in der ganz privaten Kommunikation. Es mag gut sein, wenn man von den Kindern, die in der Ferne leben, eine SMS oder eine Mail bekommt. Ein Telefongespräch ist schon besser – wenn dann via Skype noch das Bild dazu kommt, ist das natürlich noch besser – aber spätestens, wenn man den „verlorenen Sohn“ wieder in den Armen hält, weiß man, was einem so gefehlt hat. Was sich daraus für die Verkündigung der Frohen Botschaft ergibt, liegt auf der Hand – erst in der persönlichen Weggemeinschaft entsteht echte Communio – Gemeinschaft durch direkte Kommunikation.

Doch das heißt jetzt nicht, dass die Kirche die sozialen Kommunikationsmittel bei der Glaubensvermittlung außer Acht lassen könne. Ganz im Gegenteil: Christen haben von Anfang an alle sich neu anbietenden Kommunikationsmittel gerne und gut für die Weitergabe des Glaubens genutzt. Ganz egal, ob die ersten Apostel Briefe an ihre Gemeinden geschrieben, ob die Künstler Bibelgeschichten an die Wand oder in die Kirchenfenster gemalt haben oder ob die Päpste unserer Tage via Radio, TV und Internet ihre Botschaft „urbi et orbi“ verkünden.

Welches Medium aber ist im modernen mehrmedialen Mix vorzuziehen? Die Nutzungsgewohnheiten der Menschen verändern sich und sind so verschieden wie die Menschen. Was für die Großmutter das gute Buch war, ist für die Mutter vielleicht der Fernsehfilm und für die Tochter das Internetangebot. Kirche soll, nein, Kirche muss alle medialen Verbreitungsformen im Angebot haben, wo immer es die Ressourcen erlauben. Denn der Auftrag bleibt: Geht hinaus in alle Welt und verkündet allen Geschöpfen die Frohe Botschaft (MK 16,15).
Aber sollte die Kirche nicht doch ein Medium vorziehen? Hat nicht für eine Schriftreligion das gedruckte Wort Vorrang? Die Bibel halten wir doch hoch, weil sie uns heilig ist. Wer die erfolgreichen Hollywood-Filme vor Augen hat, würde dennoch vermutlich lieber einen Film empfehlen. Wer Mozart oder Michael Jackson liebt, würde einen tollen Song vorschlagen, und jeder erfolgreiche Werber hätte bestimmt schon einen super Claim für seine Kampagne zur Verbreitung der Frohen Botschaft. Vielleicht ist es in einer Zeit, wo alle medialen Formen immer weniger trennscharf im Internet zusammenfließen, auch müßig, darüber zu streiten.

Einem Radiomann der alten Schule, der seine ersten Interviews schon im Kindesalter mit dem Kassettenrecorder von Telefunken aufgenommen hat, wird man es verzeihen, wenn er an die Kraft des gehörten Wortes appelliert. Wer seinen Kindern seit Jahren allabendlich eine Gute-Nachtgeschichte erzählt, wer jemals eine spannende Fußballreportage im Autoradio verfolgt hat und noch im Auto sitzen blieb, als das Ziel längst erreicht war, der weiß um die Faszination und Bedeutung des gehörten Wortes.

Auf mittelalterlichen Darstellungen dringt der Lichtstrahl des Heiligen Geistes bei der Verkündigung Mariens nicht ins Auge oder ins Herz, sondern in das Ohr. Maria hört die Botschaft des Engels, sie sagt „Ja“ und die Menschwerdung Gottes passiert. Es wäre töricht, wenn die kirchlichen Entscheidungsträger das gute alte Radio in ihrer heutigen Medienstrategie außer Acht ließen. Auch wenn sich nach der Erfindung des Radios nicht alle päpstlichen Hoffnungen bei der weltweiten Verbreitung der Frohen Botschaft erfüllten, so ist und bleibt das gute alte Radio mit all seinen heutigen Ablegern und Präsentationsformen der Maßstab fast aller Dinge. Auch unter Kostengesichtspunkten kommen verantwortliche Gottesmänner schwerlich am Radio vorbei, man braucht nur die Etatpositionen für Radio und Fernsehen der ARD vergleichen. Aber auch alle neuen Apps, Posts und Blogs – und was immer da in den nächsten Jahren noch auf uns zukommt – werden es nicht verhindern, dass wir Menschen einfach mal gerne hören – zuhören. Richtiges Zuhören – also aktives Schweigen erst ermöglicht das Verstehen des Gegenübers. Kann man es sich da wirklich leisten, auf das gute, alte, aber auch ewig junge Medium Radio zu verzichten?

Schon der Psalmist betet: „Ich rufe dich an, denn Du Gott erhörst mich. Wende dein Ohr mit zu und vernimm meine Rede.“ (Ps 17,6) Als Christen dürfen wir uns also darauf verlassen, dass Gott für uns immer ein offenes Ohr hat. Perfekt wird die Kommunikation dann, wenn wir mit Samuel nach dem Ruf Gottes antworten können: „Rede Herr, dein Diener hört!“ (1 Sam 3,10)

 

 

 

nach obeN

     
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