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Text: Klaus Nelißen  

Klaus Nelißen, Jahrgang 1979, ist stellvertretender Rundfunkbeauftragter der NRW-Diözesen beim WDR. Der Pastoralreferent des Bistums Münster ist Theologe und Journalist und verantwortet mit die Radio-Morgenverkündigung auf den WDR-Wellen und TV-Gottesdienstübertragungen in der ARD aus NRW.


 
   
 

 

 

 

„Herr Nelißen, Sie sind stellvertretender Rundfunkbeauftragter der katholischen Kirche beim WDR. Wie schätzen Sie christliches Radioprogramm aktuell ein und wie muss es sich noch verändern, um gehört zu werden? Wo sehen Sie Hindernisse, wo Möglichkeiten? Und was kann Radio, was andere Medien nicht können? Wie kann die Kirche dieses Medium voll ausschöpfen?“

Radiosender sind Lebensgefühlwelten. Sie schaffen es – wenn sie gut sind – eine bestimmte Tonalität zu treffen, auf die ich mich als Hörer einlassen kann. Während das Lesen oder Fernsehen meinen Sehsinn bindet und ich dadurch eine andere Fokussierung habe, kann ich Radio hören und mich dazu frei bewegen, kann anderen Tätigkeiten nachgehen – ob im Bad, in der Küche, im Auto oder auf der Arbeit. Ein Radiosender kann den Soundtrack meines Lebens liefern.

Und da wir unterschiedliche Lebensentwürfe haben, gibt es Radiosender für unterschiedliche Bedürfnisse. So möchte ich beispielsweise möglichst viele Informationen über das Radio vermittelt bekommen. Zu meiner Radio-Lebensgefühlwelt gehören Einschätzungen, Nachrichten, Reportagen – „Input“ eben, aber en passant. Und Radioverkündigung, also christliches Radioprogramm, ist genau in diesem Segment angesiedelt. Und die erfolgreichste Radioverkündigung, was die Hörerzahlen angeht, findet nach wie vor statt in den Öffentlich-Rechtlichen Sendern. Im WDR läuft sie auf den unterschiedlichsten Wellen: auf 1LIVE ebenso wie auf WDR4 und erreicht damit einen Großteil der Nordrheinwestfalen.
 
Überall ereignet sich diese Verkündigung in einer anderen Lebensgefühlwelt – und sie ist dort zu Gast. Denn anders als bei einem christlichen Radiosender wie z.B. dem Domradio ist die Radioverkündigung in Sendern wie dem WDR zwar gesetzlich vorgesehen, aber immer etwas, das „von außen“ kommt. Dem müssen sich die Radioverkünder bewusst sein. Wenn sie diesen Gast-Status übersehen, könnte es sein, dass sie wie der „Dieb in der Nacht“ erscheinen, oder besser: wie ein als falsch gekleideter Gast in der falschen Lebensgefühlwelt. Kurz: Radioverkündigung muss sich aus seiner „katholischen Lebensgefühlwelt“ hinauswagen und die andere Wirklichkeit erst einmal wahrnehmen, in die man sich mit seiner Verkündigung hineinbegibt.

In den zwei Jahren, die ich als stv. Rundfunkbeauftragter für die Morgenverkündigung auf den Wellen 1LIVE, WDR2, WDR3, WDR4 und WDR5 verantwortlich bin, nehme ich stark wahr, dass Autorinnen und Autoren dann erfolgreich sind, wenn sie sich nicht nur als „Sender“ verstehen, sondern auch als „Empfänger“. Wenn sie lernen, sich mit den Hörerinnen und Hörern auseinander zu setzen. Verkündigung ist also keine Einbahnstraße. Und obwohl dieser Satz so einfach klingt, ist er doch herausfordernd. Das fängt schon mit der Sprache an – diese sollte fürs Radio einfach sein – geht über die Themenwahl und hört auf bei einer Sprechhaltung, die im wahrsten Sinne „ansprechend“ ist und nicht predigt.

All das ist gar nicht so leicht für uns und unsere Autoren, die wir alle „Laien“ sind in Sachen Radiomachen. Wer nicht tagtäglich am Mikrofon arbeitet, für den ist diese Situation eine Herausforderung. Und es braucht „Naturtalente“, die in die Radioverkündigung gehen mit dem richtigen Riecher für Themen, einer einfachen Sprache und ohne Scheu vor dem Mikrofon. Diese Talente sind rar gesät und daher suchen wir ständig neue.

Und dabei lernen wir immer wieder, dass gute Verkündigung nicht automatisch etwas mit der Position in der kirchlichen Struktur oder mit einer theologischen Qualifikation zu tun hat. Übrigens: das war auch schon zu biblischen Zeiten so – oder war z.B. Amos ein Priester? Und wir erfahren auch immer wieder, dass gute Verkündigung nicht davon lebt, dass die Worte „Glaube“, „Gott“ oder „Jesus“ möglichst wahrnehmbar oft vorkommen. Hier kann man von Jesus lernen: Seine nachhaltigste Verkündigung waren wohl nicht die Predigten, die wir z.B. im Johannesevangelium lesen können – wie die „Brotrede“. Für Theologen waren sie das vielleicht – aber nicht für die Allgemeinheit. Was den Menschen im Herzen geblieben ist, sind Geschichten von verlorenen Schafen, von einer Frau, die eine Münze sucht und von einem Vater, der die Größe hat, seinem Sohn zu verzeihen. Und alle wissen, was damit gemeint ist. Wenn davon etwas aufscheint in der Radioverkündigung, die zumeist morgens in der „Radioprimetime“ zwischen Morgentoilette und Anfahrt zur Arbeit geschieht – dann ist sie kraftvoll. Dann kann sie Tagbegleiter sein für viele Menschen. Nicht nur für Christen. Und dann wird sie weiterhin relevant sein. Und sie kann Zeugnis geben von diesem Mann aus Nazareth, der so gut das Leben der Menschen kannte, weil er einer von ihnen geworden ist.

 

 

 

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